Briefwechsel
zwischen Friedrich Gentz und Adam Heinrich Müller 1800-1829 (Stuttgart:
Cotta 1857), 123f.
Müller an Gentz, Dresden, 25. 12. 1807 25.
December 1807.
Ich sende Ihnen, mein verehrtester Freund, einige Prospectus des Kunstjournals, welches
wir herausgeben, mit der Bitte, für selbiges so viel Interesse zu erwecken, als möglich.
Zwei Tragödien von Kleist, die Penthesilea und Robert Guiskard, eine vortreffliche
Novelle von demselbigen: die Marquise von O**, und ein Lustspiel bilden nebst meinen
vielen neueren Vorlesungen, besonders den neuesten über das Erhabene und Schöne, den
Fond. Ich dirigire die Philosophie und Kritik, Kleist die Poesie und Hartmann die bildende
Kunst. Wir bitten Sie vereint, diese Entreprise, welche Ihrer Empfehlung Ehre machen soll,
unter Ihren Schutz zu nehmen, und von ihr gegen jedermänniglich auf die bekannte
liebreiche, wohlwollende, ja eindringliche Weise zu reden, der ich einst bei meinen ersten
Vorlesungen, und an vielen andern Orten, mein und meiner Sache Glück, ja Existenz zu
danken hatte. Sollte nicht vielleicht irgend ein historisches Werk oder auch nur Fragment
von Ihnen zu erwarten oder zu erbitten seyn? Denn wir nehmen das Wort Kunst in der
ganz allgemeinen Bedeutung, da jede kunstreiche Behandlung irgend eines Stoffes
einbegriffen ist, und dieß nicht bloß, um die Sphäre des <124:> Journals zu
erweitern, sondern um in recht verschiedenartigen Gestalten den Geist ausgedrückt zu
sehen, welchen wir meinen. Ich selbst werde mich in platonischen Gesprächen über das
gesellschaftliche Leben und dessen kunstreiche Anordnung vernehmen lassen. Gerade weil ich
an Ihnen das vortrefflichste und geheimste besitze, was die andern nicht kennen und nicht
verstehen, möchte ich, daß sie vor den äußeren Geschäften der Welt, von denen Sie
einmal nicht lassen können, endlich zu einer Betrachtung dessen gelangen könnten, was
ich in Ihnen liebe und besser kenne als Sie selbst. Die wehmüthigen Stimmungen, in denen
Sie mir Ihre letzten Billets schrieben, könnten nicht stattfinden, ob ich gleich Zorn und
Wuth gegen das elende Geschlecht, für das Sie so viel gethan haben, sehr natürlich
und anständig finde. Könnten Sie fühlen, welch ein Trost mir Ihre Liebe ist, so würden
Sie auch Ihr Leben lieben, welches sehr vieler Gutdenkender und einiger Vortrefflicher
Stütze ist. Fühlen Sie nicht, wie das alte Weltreich des Glaubens, je mehr es draußen
zerfällt, desto fester und reiner in Ihrer Seele sich erhebt? Für wen ist denn die Ernte
aller dieser unglücklichen Tage, für unsere scheinbar glückliche Feinde oder für uns?
Adieu, mein edelster, liebster Freund.
Adam.
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