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Karl Griewank (Hrsg.), Gneisenau. Ein Leben in Briefen (Leipzig: Koehler & Amelang, 2., erw. Aufl. [1946]), 179f.

Neithardt v. Gneisenau an seine Frau Caroline, Berlin, 2. 12. 1811

Berlin, den 2. Dezember 1811.

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Du wirst eine Ankündigung eines Mannes über den Tod seiner Frau, und eine andere über ebendiesen Tod von dem Testamentsexekutor der Verblichenen gelesen haben, die Dir dunkel sein werden, wenn Du nicht die Veranlassung bereits kennst. Bei der Möglichkeit, daß dies nicht der Fall ist, will ich Dir die Veranlassung zu jenem tragischen Vorfall erzählen. Die Verstorbene, M[adame] Vogel, hatte ein tötliches Übel, den Mutterkrebs. Sie war eine sehr gebildete Frau und hatte den ehemaligen Gardehauptmann Kleist, Dichter wie sein verstorbener Bruder, den Du kanntest, zum Freunde gewählt. Beide waren exaltiert (er hat mich einige Male besucht)\2\. Bei dem Gefühl der Unheilbarkeit ihres Übels hatte sie bereits ihrem Manne den Antrag gemacht, sich zusammen zu töten. Er aber fühlte noch zu viel Lebenslust, als daß ihm diese Reise annehmlich gewesen wäre. Mit mehr Bereitwilligkeit nahm den Antrag der Dichter auf. Sie begeisterten sich wech- <180:> selsweise zur Reise in jenes Dunkel, fuhren nach einem Wirtshause an der Potsdamer Chaussee, tranken daselbst Kaffee, gingen an dem dasigen See spazieren, sangen von ihnen gedichtete geistliche Lieder, dann schoß er ihr mit einer Pistole eine Kugel durchs Herz, und die andere sich durch den Kopf. Man fand noch einen Brief, worin sie ihre unerzogene Tochter einer Freundin übergab. Das Dasein des genannten Übels beweist, daß beider Verhältnis ganz rein, und der Entschluß zum gemeinschaftlichen Tode aus Dichterphantasie entsprungen war.
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\2\ Vgl. Kleists Erzählung über einen Besuch bei Gneisenau, oben S. 121. (Delbr. I, 239.)

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Letzte Aktualisierung 22-Jan-2003
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