Eduard Genast, Aus
dem Tagebuch eines alten Schauspielers, 4 Bde. (Leipzig: Voigt & Guenther
1862/66), Bd. 1 (1862), 169f.
Uraufführung Der zerbrochne Krug
Eine zweite Neuigkeit, Der zerbrochene Krug von Kleist, folgte am 2.
März. Schon bei der ersten Vorstellung wurde dem Stück der Stab gebrochen und es fiel
unverdienterweise total durch. Hauptsächlich traf die Schuld des Mißlingens den
Darsteller des Adam, der in seinem Vortrag so breit und langweilig war, daß selbst seine
Mitspieler die Geduld dabei verloren. Trotz allen Rügen Goethes bei den Proben war
er aus seinem breitspurigen Redegang nicht herauszubringen, und den kurzen Imperativ bei
ihm anzubringen, wäre wahrlich ganz in der Ordnung gewesen, denn das Zerren und Dehnen
war nicht zu ertragen. Bei der Aufführung dieses Stücks ereignete sich ein Vorfall, der
in dem kleinen weimarschen Hoftheater noch nie dagewesen und als etwas Unerhörtes
bezeichnet werden konnte: ein herzoglicher Beamter hatte die Frechheit, das Stück
auszupfeifen. Karl August, der seinen Platz zwischen zwei Säulen, dicht am Proscenium,
auf dem sogenannten bür- <170:> gerlichen Balcon hatte, bog sich über die
Brüstung heraus und rief: Wer ist der freche Mensch, der sich untersteht, in
Gegenwart meiner Gemahlin zu pfeifen? Husaren, nehmt den Kerl fest! Dies geschah,
als der Missethäter eben durch die Thür entwischen wollte, und er wurde drei Tage auf
die Hauptwache gesetzt. Den andern Tag soll Goethe gegen Riemer, der es mir mittheilte,
bemerkt haben: Der Mensch hat gar nicht so Unrecht gehabt; ich wäre auch dabei
gewesen, wenn es der Anstand und meine Stellung erlaubt hätten. Des Anstands wegen hätte
er eben warten sollen, bis er außerhalb des Zuschauerraums war.
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