August Gottlob
Eberhard, Nachtrag zu meiner Appellation an die Ankläger und Richter Heinrichs von
Kleist, in: August Gottlob Eberhard, August Lafontaine u. a. (Hrsg.), Salina oder
Unterhaltungen für die leselustige Welt, 4 Bde. (Halle: Renger 1812), Bd. 2, 104-116;
darin: 115f.
Kleist in Potsdam und General Rüchel
Nachschrift.
So eben erhalte ich von einem wie man mir aufs Wort glauben
kann durchaus unverdächtigen Zeugen noch einige Notizen über Heinrich
v. Kleist, die sich auf eine frühere Bekanntschaft mit ihm gründen, als er noch bei
dem Regiment Garde (in Potsdam) stand, und die hier wohl eine Stelle verdienen.
Mein Zeuge sagt von ihm, er sey, bei einem sehr wenig
empfehlenden Aeußern, doch sehr beliebt unter seinen Kameraden und in allen
Gesellschaften gewesen; er wird als ein guter, sehr sittlicher Mensch, von viel
Geist und Bildung, aber auch mit vielem Hang zur Schwärmerei, geschildert; und als sein
größter Fehler wird eine überaus große Empfind- <116:> lichkeit
und Reitzbarkeit genannt. Deshalb soll er sich auch mit dem General von R** nicht
vertragen, und, nach einem Streit über den Anzug, seinen Abschied genommen haben, schon vor
dem unglücklichen preußischen Kriege, (ungeachtet er, so viel ich weiß, ohne Vermögen
war.)
Erklärt diese Charakteristik bei einer überhand
genommenen, langen, finstern Verstimmung über vielerlei vereitelte Hoffnungen und ein
besonderes unglückliches Verhältniß seinen Selbstmord nicht hinlänglich,
ohne daß wir die Gründe dazu in seiner Verbindung mit einer poetischen Sekte aufsuchen?
Oder soll seine Uneinigkeit mit dem General v. R**, sein Streit über den Anzug
(vielleicht über den Zipfel des Zopfbandes), und sein rasches Verlassen der
militärischen Laufbahn auch Mysticismus gewesen seyn?
E.
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