Arno Barnert
in Zusammenarbeit mit Roland Reuß und Peter Staengle, Polizei
Theater Zensur. Quellen zu Heinrich
von Kleists Berliner Abendblättern, in: BKB
11 (1997), 29-353; darin: 310-313
Friedrich Himly an Johann Emanuel Küster, Berlin,
23. 12. 1810 (Entwurf)
<6r>
Ew. Hochwohlgeb. zeige ich in Beziehung auf das Gesuch
des Herrn von Kleist:
Mitteilungen
der Staatsbehörde
für
die Abendblätter zu
erhalten
gehorsamst an, daß von diesen Blättern, soviel mir
bekannt, bey dem Minist. der ausw. Angel. nichts vorgekommen,
als bis sich unter den ohne Genehmigung dieses
Ministeriums eingemischten politischen Artikeln
ein solcher gefunden, der das Misfallen Sr. Excellenz
des Hrn. KabinetsMinisters erregte, und die Untersagung
aller Aufnahme von politischer Artikel
veranlaßte. Da indessen diese Aufnahme nicht unterblieb;
so ist, auf meine Anzeige * noch neuerlich dem Censor
Hrn. PolizeyPräsident Gruner nochmals empfohlen
auf Entfernung aller eigentlich politischen Artikel
zu halten. <311:>
Insofern indessen gegenwärtig die Frage:
ob
dem Hrn. von Kleist Mitthei-
lungen
von Seiten des
M.'s
der ausw Angel. gemacht
werden
können
von neuem in Betracht kommt; so kann ich, insofern
wenn
a,
von eigentlich politischen Nachrichten die
Rede ist, nur 1, die dermalen mehr als je stattfindende
Schwierigkeit aller solcher Mittheilungen und
2, das jederzeit geltend gemachte wohlerworbene Recht
der beyden alten Zeitungsinstitute in Erinnerung
|
* nach der durch Ew. Hochwohlgeboren mir bekanntgewordenen
Absicht Sr. Excellenz des Hn. Kabinets-Ministers
|
<6v>
^bringen^ so wie 3, die Nothwendigkeit:
daß
ein Blatt, welches politische Artikel giebt, auch
eine politische Censur habe,
indessen die Abendblätter nur eine polizeyliche haben.
Wäre aber auch erstere einzurichten und die Schwierigkeit
hiesiger öffentlicher Mittheilung politischer
Nachrichten und eingehender Berichte zu überwinden;
so würden 4, die beyden alten Institute vorzüglich
im itzigen Augenblick,
wo
denselben ein Stempel aufgelegt worden, den
die Abendblätter nicht tragen,
durch die einem anderen Blatte beygelegte Wichtigkeit
außerordentlich u. um so mehr leiden,
da
die Abendblätter täglich erscheinen, demnach
allerdings eher, als die nur einen Tag um den andern
erscheinenden alten Zeitungen, das Neueste
liefern könnten.
Dieser letztere Grund ist von Seiten des Mins
der ausw. Angel. der Entstehung neuer Zeitungen *
zu jeder Zeit entgegengesetzt. Das Mißliche aber,
gegen den Untergang dieser alten, so vieles Wichtige
für den Staat vereinigenden Institute neue zu erheben,
deren Begründung doch für die Dauer noch
immer zweifelhaft bleibt, leuchtet von
selber ein. Außer den eigentlich politischen
Nachrichten hätte das Min. der ausw. Angel. nun noch
|
* wenn sie auch nur ein paarmal wöchentlich erscheinen
sollten
|
<7r>
b,
solche in seinem Geschäftsbezirk, die innern Angelegenheiten
betreffen, <312:> wobei Beziehungen und Unterhandlungen
mit dem Auslande stattfinden. So interessant diese
Gegenstände nun allerdings in diesem Augenblicke sind,
so gestehe ich doch meinerseits, daß ich keinen Anlaß
sehe, Mittheilungen dieser Art wiederum den beyden
alten, weitverbreiteten Instituten und damit
vor der Hand dem bey weitem größeren in- und auswärtigen
* Publikum zu entziehen, und diese Institute, welche
bis itzt zugleich die Staatsanzeigen sind,
und gegen das damit verbundene onus auch die Vortheile
eines hinreichenden Debits genießen müssen,
durch Auszeichnung eines anderen neuentstehenden Blattes
mit Artikeln der wichtigsten Art, in Gefahr zu setzen.
Diese
ganze Frage scheint mir wichtig auch in Hinsicht jeder
Mittheilung der Artikel von öffentlichen Behörden
^überhaupt^; und sie scheint es insbesondere itzt,
wo diese Blätter mit jedem Exemplar jährlich einen
Stempel von 1 Rth. abwerfen sollen. Ihr geschwächtes
Debit würde auch diese StempelEinnahmen verkürzen,
wogegen alle gemischten hiesigen Blätter und so auch
die Abendblätter keinen Stempel tragen.
|
* (provinziellen)
|
<7v>
Ob
der Staat gutfinde, ein wirklich officielles Blatt
^selbst^ zu gründen; ob er es mit den alten
Instituten verknüpfen wolle oder nicht; sind freylich
Fragen von weiterem Umfange als die hier vorgelegte.
Die ¿¿¿ erwähnten Bedenken würden
aber dabey immer mit in Betracht gezogen werden müssen,
wenn die Entscheidung nicht bedeutende Inkonvenienzen
herbeyführen, u. zu lösende ^große^ Schwierigkeiten
übrig lassen sollte. Wäre es in der That Plan
der Regierung, ein officielles oder Regierungsblatt
in einem völlig neuen Institute zu gründen; so wäre
nicht nur erforderlich, das Interesse der alten
Institute mit dem des neuen auszugleichen; sondern
auch das Interesse des Staates selbst, da derselbe
sich
a, seinen Staatsanzeiger in ungestörtem solidem
Gange erhalten muß u.
b, eine Stempelabgabe von zwey <313:>
bedeutend debitirten Zeitungen ziehen will.
Diese
Gründe gelten meines Erachtens gegen jede bedeutende
Auszeichnung neuer Blätter mit officiellen Mittheilungen
jeder Art. Wie aber insonderheit politische Mittheilungen
von Bedeutung einem neuen Blatt beygelegt werden können,
sehe ich insbesondere nicht ein, u. glaube, daß des
Herrn Staatskanzlers Excellenz diese in den Gegenständen
selbst und im Verhältniß des auswärt. Ministeriums
zu jenen alten Instituten liegende Verhinderung
vorzulegen seyn würde. Berlin, den 23. Dec.
1810.
Himly
|
|
H: GStA-PK,
Sign.: HA III, 2.4.1., Abt. I, Nr. 8924, Bl. 6-7
|