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Arno Barnert in Zusammenarbeit mit Roland Reuß und Peter Staengle, Polizei – Theater – Zensur. Quellen zu Heinrich von Kleists „Berliner Abendblättern“, in: Brandenburger Kleist-Blätter 11 (1997), 29-353; darin: 276f.

Oberst v. Thümen an Karl August v. Hardenberg, Spandau, 29. 11. 1810

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Hochgebohrener Freÿherr
Höchst zu verehrender Herr Staats Kanzler!
Mein ältester Sohn geht in Berlin auf das Gimnasium des grauen Klosters und ist daselbst bei allen seinen Lehrern, als ein fleißiger und sittiger junger Mensch bekant.
Am 21ten dieses Monaths ist er im Schauspiel gewesen wo er nur äußerst selten hinzugehn pflegt und wo er so wenig mit Schauspieler, als mit solche die Cabalen gegen sie machen, die geringste Bekantschaft hat. Es ist an diesen Tage wegen des Spiels der Schauspielerin Herbst gepocht worden und mein Sohn hat aus Leichtsin, oder weil er selbst ein Misfallen daran gefunden hat, mitgepocht. Wenn nun gleich wohl über 100 gepocht haben und mein Sohn gewiß den wenigsten Antheil daran genommen hat, so ist er doch gantz allein, nach Beendigung des Schauspiels beÿm heraus gehen, durch den Policeÿ Inspecteur Holtorff – der meinen Sohn persönlich kent – angehalten und dabeÿ durch denselben auf das boshafteste beleidigt worden.

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Er hat ihm von Hundsvot, Schlingel und Kanaille vorgesprochen und in Gemeinschaft von 20 Policeÿ -Officianten ihn gezwungen mit nach der Wohnung der Herbst zu gehen und ihr wegen des Pochen Abbitte zu thun. Mein Sohn hat gleich beÿ den Policeÿ -Presidenten Gruner darüber geklagt und ich habe an denselben geschrieben, bin aber bis jetz noch, nach acht Tagen, mit keiner Antwort beehrt worden.
Ich bin also gezwungen zu Ew: Excellence Gerechtigkeit meine Zuflucht zu nehmen und als ein gekränckter Vater unterthänigst zu bitten, daß der Holtorff wegen der groben Beleidigung gegen meinen Sohn und wegen den Mißbrauch seines Amtes öffentlich bestraft werde. Den die Sache ist Stadtkundig und mein Sohn würde sonst, wegen dieser Beleidigung Zeit Lebens beschimpft bleiben.
Das gantze Berliner Publicum ist über das despotische Benehmen des Holtorffs gegen einen unschuldigen und unerfahrnen Jüngling empört und ^der^ nachher am 26ten d: vorgefallene ärgerliche Auftrit im Schauspielhause, ist als eine Folge des algemeinen Unwillens anzusehn. Ich bin von Ew: Excellence überzeugt Hochdieselben werden meinen gekränckten Sohn die

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gerechte baldige und öffentliche Genugthuung nicht versagen und habe die Ehre mit ehrfurchtsvoller Hochachtung und Ehrerbietung zu sein.
Ew: Excellence <277:>
unterthänigster Diener
v: Thümen
Oberst und Oberbefehlshaber
der Festung und Besatzung
von Spandow
Spandow d 29ten Novembre 1810











prs: 1ter Dec.: 10
n: 12 ¿

H: GStA-PK,  Sign.: HA I, Rep. 74, J, XI, Nr. 1, Bl. 7-8
Beantwortet von >> Hardenberg an Thümen, 5. 12. 1810

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Letzte Aktualisierung 28-Jan-2003
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