Arno Barnert
in Zusammenarbeit mit Roland Reuß und Peter Staengle, Polizei
Theater Zensur. Quellen zu Heinrich
von Kleists Berliner Abendblättern, in: BKB
11 (1997), 29-353; darin: 258f.
Johann August Sack an Friedrich Wilhelm III., Berlin,
24. 11. 1810
<1r>
Auf Euer Königlichen Majestät Befehle vom 18tn
d. M. habe ich sogleich das Censurwesen, mit Ausschluß
der für das auswärtige Departement gehörigen politischen
Schriften, von dem Departement des Kultus und öffentlichen
Unterrichts, welches dasselbe bisher verwaltete, in
Gemäßheit der Verordnung vom 27tn v. M.
übernommen, das hiesige Polizei-Präsidium instruirt,
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mit der Censur der hieselbst erscheinenden Flugblätter zwar
vor der Hand in dem bisherigen Geschäftsgange fortzufahren,
mir aber in jedem einzelnen Fall, wo ein Aufsatz
vorkömmt, welcher die Tendenz der Kritik über öffentliche
Anordnungen und Staatseinrichtungen klar verräth,
oder Anspielungen dieser Art enthält, oder auch
jener Tendenz nur verdächtig ist, denselben vor dem
Abdruck zur eigenen Ansicht vorzulegen, |
Zu den Akten
Bl 18 Jan 11
Hbg.
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und ähnliche
Verfügungen an alle Präsidenten der Provinzial-Regierungen,
und an die beiden Polizei-Präsidenten zu Breslau und
Königsberg in Preußen erlassen das letztere schien
mir darum nothwendig, weil sonst ein Uebelgesinnter einen
hier zurückgewiesenen Aufsatz in ein öffentliches Blatt aufnehmen
lassen könnte, welches in andern Provinzen herauskömmt.
Ich hoffe, daß durch diese Anordnungen Eurer Königlichen Majestät
Allerhöchste Absicht erreicht werden wird.
Uebrigens
aber erlaube ich mir die allerunterthänigste Bemerkung,
Die gute Wirkung
dieser Maaßregel ist bekanntlich in mehreren andern
Staaten erprobt, und es ist Eure Königliche Majestät bekannt,
daß ich selbst dieselbe zu der Zeit, als ich die Immediat-Friedens-Vollziehungs-Commission
leitete, und nochmals bei Abwesenheit der höchsten
Behörden in Königsberg als Ober-Präsident hier
allein stand, mehrmals in Ausübung gebracht habe. Es
scheint mir auch in der Natur der Menschen zu liegen, ihre Meinung
durch solche Aufsätze in hohem Grade bestimmen zu lassen,
weil alles Neue schon seiner Neuheit wegen bei ihnen eine
merkliche Sensation erregt, und die ersten Ideen und Eindrücke,
die sie bei dessen Erscheinung erhalten und ihnen suppeditirt
werden, lebendig vorherrschend bleiben. Wenn Eure Königliche
Majestät diese Ansicht zu billigen geruhen sollten,
so würde ich mich bestreben, nach näherer Rücksprache mit
Höchstdero Staatskanzler, darnach das Nöthige einzuleiten.
Berlin
den 24tn Novbr. 1810.
Sack
H: GStA-PK, Sign.: HA I, Rep. 74, J, X, Nr. 5, Bd. 1,
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