Briefe
von Karl Gustav v. Brinckmann an Friedrich Schleiermacher
(Berlin: Litteratur-Gesellschaft 1912) (= Mitteilungen
aus dem Litteraturarchive in Berlin, Neue Folge, 6.), 85-87
Karl Gustav v. Brinckmann an Friedrich Schleiermacher,
Königsberg, 17. 3. 1808
- K[önigsberg]
den 17. März 1808.
- Herzlichen Dank,
mein Lieber, für Deinen Brief vom 1ten dieses. Seitdem
hat sich die Staatenwelt wieder einmal so rasch um ihre
feurige Achse gedreht, daß ich plözlich noch einmal auf
dem Kopfe stehe; und wolte Gott, daß ich diese gewagte
Stellung nicht bald mit meinem Vaterlande und seinem großherzigen
Beherscher theilen möge! Am Ende wird mir das Ding denn
doch zu bunt. Daß wir allein, so zum bloßen Nachspiel,
uns noch mit Russen, Dänen und Franzosen herum balgen
sollen, ist etwas hart. Aber der Würfel liegt, und mein
unwillkührliches Herzklopfen soll mich wenigstens nicht
unentschlossen, oder im schimpflichen Sinn klug machen.
Wohl ziehen sich in diesem entscheidenden Augenblick Manche
zurück, die sich in ruhigern Tagen stolz und eitel genug
der Fürstengunst freuten. Freilich ist es nicht unwahrscheinlich,
daß der Unerschütterliche, wenn auch nur persönlich, zu
Grunde gehen wird in diesem dreifachen Kampf
aber hat denn der Mann von Herz und Grundsäzen in solchen
Augenblicken noch eine freie Wahl? Ein für allemal habe
ich meinem König feierlich gelobt ihm bis zum letzten
Athemzug anzuhangen, und sein Schicksal willig zu theilen.
Wann könnte ich dies Gelübde passender wiederhohlen als
hier am Rubikon! Dies ist geschehen, und ich sehne mich
ordentlich weg von allem, was mir hier lieb
und theuer ist, um den klassischen Boden des heimischen
Unglücks zu betreten.
Leicht
wird mir, Leider, auch dies nicht. Du weißt vielleicht
schon, daß auch Eure Häfen der Schwedischen Flagge gesperrt
sind, und ohne ein von dorther, mich abzuhohlen, ankommendes
Schiff kann ich nicht einmal einen Boten hinüberbekommen. <86:>
So stehen meine öffentlichen Angelegenheiten. Der schöne
Traum von Wiedersehen in B[erlin] ist also für diesmal
wenigstens vereitelt. Nun zu etwas Anderm.
Deine Schrift über die Zulässigkeit einer Hochschule in
B[erlin] habe ich noch nicht empfangen. Sie wird noch
bei Fr[änckel] liegen. Dafür hat
er mir neulich den Föbus geschickt, den ich wahrlich nicht
verlangte. Mit dem guten Wein mögen diese Hochzeitbitter
wohl nicht angefangen haben, daß aber die Gäste von dem
Vorgesezten trunken werden möchten, ist nicht unwahrscheinlich.
Ich, der sehr mäßig ist, habe es beim Kosten und Nippen
bewenden lassen. Was Deine Flugschrift betrift,
so ist wenigstens Stein im Voraus der Meinung, daß sich
alles gute gegen, nichts erhebliches für die Sache sagen
ließe. Daß Du die Sittenlehre herausgeben
würdest, hatte mir Marwitz bestimmt gesagt. Indessen finde
ich nichts gegen Dein Säumen einzuwenden. Deine Theilnahme
an der Alterthumswissenschaft freut mich um so mehr. Aber
ich Landesverwiesener, der nun vielleicht in ein par Jahren
von meinen besten Freunden weder etwas Gedrucktes noch
Geschriebenes zu sehen bekommen werde! So streng ist alle
Mittheilung verboten, so plözlich ist die Ostsee zum Styx
geworden! Über Stolberg mißverstehen wir einander durchaus
nicht; vermutlich würden wir uns auch bald über Deine
Beurtheilung des Fichte verständigen; meine Rüge trift
vielleicht nur eine gewisse ungesellige Härte des Tons
aber gegen Jacobi scheinst Du mir beinah a priori
ungerecht. In der bewußten Abhandlung ist mit das Stärkste,
das ich kenne, gegen die gemeine Verstandes-Frechheit
der Zeit und ihre Stellvertreter gesagt, aber wie schön
und mit welcher Würde!
Denke
Dir, welchen Besuch ist gestern bekam! Von dem hiesigen
Prediger Cunow. Er war mein erster Stubenbruder, wie ich
als Kind von 11. Jahren nach Nisky kam, und ich freue
mich noch seiner freundlichen Behandlung des damals so
verwaisten Fremdlings. Durch ihn erfuhr ich denn vieles
von unsern Ehemaligen. Wir blieben 2 Stunden beisamen;
ich war <87:> im vollen Ernste bewegt und ergriffen
von den Schattengestalten, die sich aus der Vergangenheit
empordrängten, mich zu umarmen. Er versprach
mir Gemeinnachrichten, unter anderm Zembsch Lebensl[auf].
Was meinst Du? wird man nicht glauben an die Rückkehr
des verlorenen Sohnes? Auch von Dir wurde sehr rühmlich
gesprochen, jedoch hielt ich mich wohlweise an den tiefen
Alterthumsforscher, an den gründlichen Griechen
aber umsonst! warum hatte der Mann Dein Sendschreiben
über den h[eiligen] Timotheus gelesen? Das nur schmerzte
ihn, und ich suchte leicht hinwegzutrippeln über diese
glühenden Kohlen. Uebrigens, was ich vorhersah, ist Stolb[ergs]
Werk klassisch geworden in der Gemeine. Von meinen gedruckten
Kleinigkeiten schien er nichts zu wissen, und ich hütete
mich wohl ihrer zu erwähnen. Hier und dort der Deinige
- Br.
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