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J. A. Stargardt (Marburg), Autographensammlung Dr. Robert Ammann, Aarau, Katalog 559, 3. Teil, 27. 11. 1962, 267f., Nr. 440

Caspar David Friedrich an Johannes Schulze, Dresden, 8. 2. 1809

440 – E.Br.m.U. Dresden 8. II. 1809. 11½ S. 8°.   (2500.-)
Ein Brief von tiefster Bedeutung für die Ideenwelt der romantischen Malerei.
Im Winter 1808 stellte Friedrich sein erstes Ölgemälde, das für die Schloßkapelle in Tetschen gemalte, jetzt in der Dresdner Gemäldegalerie hängende Altarbild „Das Kreuz im Gebirge mit der untergehenden“ (nicht wie das Bild vielfach irrig bezeichnet wird: mit der aufgehenden) „Sonne“ in seinem Atelier aus. Ein lebhafter Streit entspann sich über die nach Form und Gedankeninhalt revolutionäre Darstellung. Der Kunstschriftsteller Fr. W. B. v. Ramdohr veröffentlichte im Januar 1809 in der „Eleganten Welt“ eine gegen das Bild gerichtete Erklärung. G. von Kügelgen nahm in dem „Phöbus“ Heinrich von Kleists gegen diesen Artikel Stellung, was Ramdohr zu einer Replik im März d. J., gleichfalls in der „Eleganten Welt“, veranlaßte. Der erste dieser Aufsätze ist die Ursache des vorliegenden Briefes Friedrichs an Professor Schulz. Es handelt sich bei dem Brief, von einigen Anfangs- und Schlußzeilen abgesehen, um die (im Hinblick auf den Druck in dritter Person abgefaßte) Rechtfertigung des Künstlers, um die Fixierung der Gedanken, die ihn beim Malen des Bildes bewegt hatten, und darüber hinaus um seine Auffassung von den Aufgaben der Kunst überhaupt.
„Sie verlangten in Ihrem letzten Briefe, dass ich Ihnen meine Gedanken über mein Altarbild mittheilen möchte; damalen stand es mir nicht zu geboth … Jetzt aber bin ich durch den Aufsatz des Herrn v Ramdohr, der gegen mein Bild gerichtet ist, veranlasst worden, meine Gedanken über das Altarbild aufzusetzen. Sie sind verwebt in einer kurzen Gegenschrift … Ich habe den Aufsatz selber gemacht wenn ich gleich als ein Anderer auftrete …
Wäre das Bild des Mahlers Friderich nach den durch Jahrhunderte geheiligten und anerkannten Regeln der Kunst verfertigt; das heisst mit anderen Worten: hätte F. sich der Krücken der Kunst bedient, und nicht die Vermessenheit gehabt, auf eigenen Füssen gehen zu wollen, wahrlich der Herr Cammerherr von Ramdohr hätte <268:> sich nimmer aus seiner Ruhe stören lassen. Wäre F. auf der einmal gebahnten Strasse einhergegangen, wo jeder Esel seinen Sack trägt …; weil die berühmten Künstler der Vorzeit als Muster und Vorbilder für Jahrtausende da aufgestellt worden, wahrlich, der C v R. hätte geschwiegen. Nicht aber haben sie sich selbst als solche da aufgestellt, sondern anmassende Kunstrichter haben sie uns als einzig untrügliche Richtschnur gegeben. Denn sehr wohl wussten jene achtungswerthen Meister, dass die Wege, so zur Kunst führen, unendlich verschieden sind … Wenn ein Bild auf den Beschauer seelenvoll wirkt, wenn es sein Gemüth in eine schöne Stimmung versetzt; so hat es die erste Forderung eines Kunstwerks erfüllt. Wäre es übrigens noch so schlecht in Zeichnung, Farbe, Art und Weise der Mahlerei u. s. w. Wenn ein Bild den gefühlvollen Beschauer ohne Rührung, kaltes Herzens lässt, und wäre es übrigens auch noch so musterhaft in Form und Farbe; so kann es keinen Anspruch auf den Namen eines wahrhaftigen Kunstwerks machen, wohl aber auf den einer schönen Künsteley …
Auf dem Gipfel eines Felsens steht, hoch aufgerichtet, das Kreuz, umgeben von immer grünen Tannen, und immer grüner Epheu umwindet des Kreuzes Stamm. Strahlend sinkt die Sonne, und im Purpur des Abendroths, leuchtet der Heiland am Kreuz.
… Wohl hat das Bild eine Deutung, wenn sie gleich dem C. undeutlich ist! Wohl ist es beabsichtigt dass Jesus Christus, ans Holz geheftet, hier der sinkenden Sonne zugekehrt ist, als das Bild des ewigen allbelebenden Vaters. Es starb mit Jesu Lehre eine alte Welt, die Zeit, wo Gott der Vater unmittelbar wandelte auf Erden … Diese Sonne sank und die Erde vermochte nicht mehr zu fassen das scheidende Licht. Da leuchtet, vom reinsten edelsten Metall, der Heiland am Kreuz, im Gold des Abendroths, und wiederstrahlet so im gemilderten Glanz auf Erden. Auf einem Felsen steht aufgerichtet das Kreuz, unerschütterlich fest, wie unser Glaube an Jesum Christum …
Die unbedingte Forderung des C. dass eine Landschaft durchaus mehrere Plane darstellen muss, erkennt F. nicht an. So erkennt er auch nicht an, dass es nur mahlerisch sey, wo immer die höchstmögliche Abwechslung von Form und Farbe ist; dass neben einer Geraden nothwendig eine krumme Linie stehen muss … Kurz F. ist ein abgesagter Feind des sogenannten Contrastes. Sich durch Widersprüche aussprechen zu wollen, findet er verrückt. Jedes wahrhafte Kunstwerk muss … das Gemüth des Beschauers entweder zur Freude oder zur Trauer … bewegen, aber nicht alle Empfindungen, wie mit einem Quirl, durcheinandergerührt, in sich vereinigen wollen …
Contrast, sprecht ihr, das ist die Regel aller Regeln,
das Grundgesetz der Kunst. Doch nur für euch, die
ihr Contrast vom Geist, nur Körper seid. Da passt’s.“

Von größter Seltenheit. Die wenigen bekannten Briefe Friedrichs sind meist an Verwandte gerichtet.
S. a. den unter Nr. 493 dieses Katalogs angezeigten Brief Gerhard von Kügelgens an Mahlmann über den Streit zwischen C. D. Friedrich und Fr. W. B. von Ramdohr.

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Letzte Aktualisierung 22-Jan-2003
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