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Ludmilla Assing-Grimelli (Hrsg.), Briefwechsel zwischen Varnhagen und Rahel. Aus dem Nachlaß Varnhagen’s von Ense, 6 Bde. (Leipzig: Brockhaus 1874/75), Bd. 1 (1874), 306f.

Karl August Varnhagen v. Ense an Rahel Levin-Robert, Tübingen, 23. 2. 1809

Tübingen, den 23. Februar 1809.
Nach Empfang dieses Briefes, geliebte, theure Rahel, schreibe mir nicht mehr nach Tübingen, ich reise in acht Tagen nach Hamburg ab. Gottlob, daß diese Lebensart nun bald abgeschlossen ist! Ich hoffe in diesen acht Tagen noch Briefe von Dir zu bekommen, geliebte Rahel! Kommen später welche an, so werden sie mir gleich nachgeschickt. Der gute Cotta hat mir das Geld, welches mir noch fehlte, bereitwillig vorgestreckt, und sollte ich doch nicht reichen, so werd’ ich in Göttingen, Hannover oder auch schon in Kassel leicht etwas bekommen können. Damit ich nicht durch Schweigen darüber einen Schein der Unentschiedenheit gebe, so stehe es nochmals hier, daß ich von Hamburg nach Paris gehe, ob ich Dich von Amsterdam abholen soll, will ich noch erst von Dir erfahren. Harscher <307:> kommt gewiß nach Paris, wenn er weiß, daß wir bei unserem Entschluß bleiben. Lies doch meinen gestern geschriebenen Brief an Fouqué. Du wirst sehen, daß ich an ihn nur solches schreiben konnte, was ich schon geschrieben habe. Dir kann ich jetzt fast nichts sagen, die Zeit ist kurz, mein Kopf von schlechter Nacht verdumpft, und mein Sinn herumschweifend. Die Blätter, die ich Dir beilege, behalte doch für Dich, bis ich Dich wiedersehe, da sind sie mir vielleicht interessant. Die Himmelskarte zeigt ein mitternächtliches Gewitter, das wir hier erlebt haben, so sahen die Wolken aus, und wie ein Adler zog’s auf der einen Seite nach Osten, das ist Napoleon, es war ganz genau so; nie habe ich schönere Wolken, Sternhimmel und Blitze gesehen, es blitzte nicht aus den schwarzen Wolken, sondern fern am Horizont wie aufgehende Sonnen, diese Wolken zogen alle ruhig fort, als wenn sie sagten: wir sind’s nicht gewesen! Es dauerte anderthalb Stunden, und bei angenehmer Luft, bis zuletzt ein scharfer Sturmwind pfeilschnell alles vorüberjagte, daß nur ein Donnerschlag über uns war, der zweite war schon nicht mehr zu hören. Ich dachte innig an Dich, Rahel! – Stellen aus Kleist’s „Penthesilea“ hab’ ich beigelegt: ein Meisterwerk, gegen das ich früher (ich kannte aber auch nur ein Fragment) ganz verblendet war. Die Fouqué’schen Sachen gieb an Neumann. Grüße alle. Lebe Du recht wohl, geliebte, süße Rahel! Eben kommen noch Froriep’s Kinder! Schreibe mir nach Hamburg.
Dein Varnhagen.
Vorgestern bin ich 24 Jahr alt geworden.
Ist nicht die Rezension der Goethischen lyrischen Gedichte im Januar der A. L. Z. von Wilhelm von Humboldt? Ich pflege mich in so was selten zu irren!

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Letzte Aktualisierung 23-Jan-2003
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