Wilhelm Amann, Der edle Unglückliche. Fouqué über Kleist,
in: BKB 12 (1999), 33-99; darin: 55
Fouqué an Karl August Varnhagen v. Ense, Nennhausen, 1. 1. 1812
<1v >
In tiefer Wehmuth dagegen schauen wir nach
unserm versunkenen Heinrich Kleist zurück. Ich bin mehr erschüttert durch diesen
Fall; ich bin so verwirrt, als ein Mensch werden kann, der den Glauben an Gott,
Christus und Seeligkeit festhält; also, dem Himmel sei Dank, ich bin nicht irre,
aber mit einem ordentlich stöhrenden Schmerze muß ich nach Heinrichs Grabe
schauen. Es ist nicht so, wie ich es Anfangs dachte, mit jeder Nachricht über
ihn legt sich mir ein dichterer Schleier über seine That. Ich habe kein Urtheil mehr
in Beziehung darauf; nur den Schmerz fühle ich um den verlornen Genossen, und die
Gewißheit, er könne nichts Unwürdiges gethan haben, oder auch nur gedacht. Daran
halte ich mich, und bete öfters für ihn. Furchtbar ist es, daß er alle
seine Papiere verbrannt hat, also gewiß auch viele Mscpte mit. Zum Glück ist ein
Trauerspiel, davon er mir in seinem letzten Briefe bedeutende Worte schrieb: der
Prinz von Homburg, durch Verleihen an Freunde
gerettet.
H: BJK (4 Seiten, 167 Zeilen; hier: Z. 44-61).
wir] Wilhelm Neumann, Otto Heinrich Graf v.
Loeben und Georg Saegemund waren dem Brief zufolge zu Gast auf Nennhausen.
Verleihen an Freunde]
Fouqué hatte offenbar durch eine nicht überlieferte Anwort
Peguilhens auf seine diesbezügliche Nachfrage im Brief vom
12. 12. 1811 (>> Lindau
1873, 117) Kenntnis über den Verbleib des Manuskripts
erhalten. Im Dezember 1811 hatte Peguilhen in einem Brief
mitgeteilt: Kleists hinterlassene Schriften sind nicht
in meinen Haenden, sondern bis auf den Prinzen von
Hessen Homburg, den wie ich glaube Fr. v. Kleist hat
von ihm und Mdme Vogel gemeinschaftlich verbrandt <
>.
(ES V, 492). Während in ES Leopold v. Kleist
als möglicher Empfänger von Peguilhens Brief genannt wird,
gibt Helmut Sembdner (SNr 116) Adolphine v. Werdeck
als Adressatin an.
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