Zur Digitalisierung von Edward Youngs »Nachtgedanken«

Wer sich heute mit Edward Youngs die deutsche Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts stark beeinflussendem[1] Werk »The Complaint; or Night-Thoughts on Life, Death, and Immortality« beschäftigen möchte, sieht sich mit der Tatsache konfrontiert, daß dieser Autor auf dem aktuellen Buchmarkt so gut wie nicht mehr vertreten ist. Eine deutsche Übersetzung ist nicht lieferbar, im Antiquariatshandel stößt man nur selten auf eine erschwingliche ältere Ausgabe, und selbst auf dem angelsächsischen Buchmarkt ist Young nicht sonderlich präsent. Die hier vorgelegte Digitalisierung soll diesem Zustand ein wenig abhelfen.

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»The Complaint; or Night-Thoughts on Life, Death, and Immortality«, das opus magnum des englischen Dichters und Pfarrherrn in Hertfordshire Edward Young (1683-1765), erschien in den Jahren 1742-45 und gilt als eines der bedeutendsten Werke der englischen Literatur des 18. Jahrhunderts. Eine Reihe von tragischen Ereignissen im Leben Youngs bewegten ihn dazu, dieses fast 10.000 Verse umfassende Blankversgedicht zu schreiben. Das Werk setzt sich aus neun Abschnitten, den »Neun Nächten«, zusammen, die jeweils ein eigenes Thema behandeln und bestimmten Personen zugeeignet sind.

Den »Nachtgedanken« wurde in England gleich nach ihrer Veröffentlichung große Popularität und höchste Anerkennung zuteil. Unter den zeitgenössischen Bewunderern des Textes finden sich Alexander Pope, Samuel Richardson und Samuel Johnson; James Boswell feierte das Werk als »a mass of the grandest and richest poetry that human genius has ever produced«. Auf dem Kontinent bis nach Rußland fand das Werk, durch Übersetzungen in fast alle europäischen Sprachen, rasch eine überwältigende Aufnahme. In den literarischen Kreisen Deutschlands konnte man in der Mitte und am Ende des 18. Jahrhunderts geradezu eine Young-Manie ausmachen.[2] Neben dem englischen Originaltext zirkulierte, nach der Publikation von Bruchstücken durch Bodmer 1749,[3] die wegweisende Übersetzung Johann Arnold Eberts, zunächst nur einsprachig und ohne Anmerkungen.[4] Unabhängig von Eberts Unternehmen erschien, auf Anregung Albrecht v. Hallers, 1752 eine zweisprachige Teilausgabe der ersten vier »Nächte« in Hexametern, übersetzt von Christoph Bernhard Kayser[5], sowie eine weitere Teilausgabe der vierten »Nacht« in einer Übertragung von Hartmann v. Geusau, befremdlicherweise übersetzt in Alexandriner.[6]

Die Konkurrenz insbesondere zu Kaysers zweisprachiger Ausgabe brachte Ebert dazu, rasch an eine Neuauflage zu gehen, diesmal ebenfalls den englischen Text auf gegenüberliegenden Seiten mit der deutschen Übersetzung konfrontierend und darüberhinaus mit einem gelehrten Anmerkungskommentar, dessen Bedeutung für die deutsche Literatur der nachfolgenden Jahrzehnte bis heute nicht recht gesehen wird. Diese zweite Auflage des Ebertschen Unternehmens erschien in fünf Bänden in den Jahren von 1760 bis 1771, wie die Erstausgabe, im Verlag von Ludolph Schröders Erben zu Braunschweig, wobei die »Nachtgesänge« bereits 1769 abgeschlossen kommentiert vorlagen. Der 1771 erschienene Band enthielt als Supplement eine Übertragung der »Satiren« Youngs. Es ist diese Ausgabe, die die Rezeption Youngs in Deutschland maßgeblich bestimmt hat.

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Ebert, am 8. Februar 1723 in Hamburg geboren, arbeitete seit 1748, zunächst als Hofmeister, am Collegium Carolinum in Braunschweig, wo er Unterricht in der englischen Sprache und Literatur erteilte und 1753 zum Professor ernannt wurde. Zu seinem Bekanntenkreis gehörten u.a. Zachariä, Jerusalem, Hagedorn, Gärtner, der Shakespeare-Übersetzer Eschenburg, Lessing und Klopstock. Mit Young selbst, der seine Übersetzungskünste sehr schätzte, stand er in regem Briefaustausch. Obwohl selber schriftstellerisch tätig, blieb die Übersetzung der »Nachtgedanken« seine wirkmächtigste Hinterlassenschaft. Er starb im Jahre 1795.

Ebert entschied sich für eine Übertragung der Verse in Prosa. In der aufklärerischen Debatte um die Frage, ob eine Übersetzung sich streng am Originaltext oder an den Eigenheiten der Zielsprache zu orientieren habe, nahm Ebert eine vermittelnde Position ein: er argumentierte gegen die Tendenz zur Dominanz der wörtlichen Übersetzung. Statt sich an den Buchstaben des Ausgangstextes zu klammern, bemühte er sich, den Geist, die Gedanken Youngs wiederzugeben.

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»Aus dem Beyspiele eines Eberts«, schreibt ein zeitgenössischer Rezensent in der »Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste«, »sollten unsre Übersetzer lernen, wie man vorher einen Autor studiren müsse, ehe man sich ihn zu übersetzen waget. Er begnügnet sich nicht, nothdürftig den Verstand zu errathen; er studiret jedes Wort, jede Bedeutung in ihrem ganzen Umfange; er geht seine Sprache durch, um den angemessensten Ausdruck für den Gedanken des Originals zu finden; er untersucht, wie weit es die Natur der seinigen zuläßt, wörtlich zu übersetzen, oder wenn er fremd oder undeutlich werden sollte, wie er eine gleichgültige Redensart finden möge, ohne die Stärke des Urbildes zu entkräften; er sucht so gar die Parallelstellen anderer vortrefflichen Schriftstelller auf, die ihm zur Bemerkung des wahren Sinnes und Ausdrucks Anlaß geben können.«

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Der Druck der Ebertschen Übersetzung, der unseren pdf-Dateien zugrundeliegt, ist, was die Bände 1 bis 3 anlangt, die »Zweyte verbesserte Auflage« der Edition von 1760 bis 1771 (alle bei Ludolph Schröders Erben, Braunschweig, gedruckt) aus den Jahren 1768 bis 1774. Offenbar sind die Bände 4 und 5 in dieser Auflage nicht überarbeitet aufgelegt worden. Wir geben sie hier in der unrevidierten Ausgabe (1769 und 1771). Eine finale Version erschien, mit dem Verlagswechsel zum »Schwickertschen Verlage« (Leipzig), in den Jahren 1790 bis 1794.

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Die Bände haben folgende Gliederung (die Seitenzahlen umfassen die Anmerkungen):

1. Band (pdf, 113 MB)

Erste Nacht: 6-83
Zweite Nacht: 84-191
Dritte Nacht: 192-269
Vierte Nacht: 270-423

2. Band (pdf, 93 MB)

Fünfte Nacht: 2-185
Sechste Nacht: 198-357

3. Band (pdf, 147 MB)

Siebente Nacht: 18-287
Achte Nacht: 288-534

4. Band (pdf, 89 MB)

Neunte Nacht: 2-329

5. Band (pdf, 120 MB)

Sieben charakteristische Satiren auf die
Ruhmbegierde, die allgemeine Leidenschaft

 

Heidelberg, 12.10.2007
Christina Pelters & Caroline Socha

 

[1] Hierzu immer noch: John Louis Kind, Edward Young in Germany. Historical Surveys. Influence upon German Literature. Bibliography (New York 1906) und Lawrence Marsden Price, Die Aufnahme englischer Literatur in Deutschland. 1500-1960 (Bern, München 1961), 120-127.

[2] Bekannt ist vor allem Friedrich Gottlieb Klopstocks Ode »An Young«.

[3] Neue Critische Briefe über gantz verschiedene Sachen von verschiedenen Verfassern (Zürich 1749), 287-289; 448-451.

[4] Übersetzungen einiger Poetischen und Prosaischen Werke der besten Englischen Schriftsteller. Erster Band. Worinn folgende drey Gedichte von D. Edward Young enthalten sind: Klagen, oder Nachtgedanken über Leben, Tod und Unsterblichkeit: Der Jüngste Tag: Und eine Paraphrase über einen Theil des Buchs Hiob. Erstes Stück (Braunschweig, Hildesheim 1751); dieser Band enthielt die »Nächte« I bis VII. Fortgesetzt wurde die Übersetzung im folgenden Jahr mit dem »Dritten Stück«, die die »Nächte« VIII und IX bieten (Braunschweig, Hildesheim 1752).

[5] Klagen, oder Nachtgedanken über Leben, Tod, und Unsterblichkeit. Englisch und Deutsch. Die vier ersten Nächte (Göttingen 1752).

[6] Der Christen-Sieg als das einzige Mittel wider die Furcht des Todes aus denen Nachtgedanken des Herrn Young ins Teutsche übersetzet von Hartmann von Geusau (Jena 1752).