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Die große Allianz gegen das Buch Zentrale Wissenschaftsgremien wollen mit dem gedruckten Buch gleich noch das Urheberrecht abschaffen Ein interessantes Pilotprojekt hat Springer Science & Business Media, der weltgrößte wissenschaftliche Buchverlag, auf der letzten Frankfurter Buchmesse vorgestellt: Bibliotheken, die auf die elektronischen Fassungen der Springer-Publikationen abonniert sind, können ihren Lesern einen neuen Service anbieten. Wer beim Stöbern in Springers elektronischer Bibliothek ein Buch findet, das er nicht nur flüchtig am Bildschirm durchsehen möchte, der kann einen Bestellbutton »MyCopy« anklicken, und binnen weniger Tage erreicht ihn ein im Publishing-on-demand-Verfahren gedrucktes Buch. Der Pauschalpreis hierfür beträgt 25 US-Dollar. Dass der Weg vom gedruckten Buch über das elektronische Derivat wieder zum gedruckten Buch führt, ist nicht wirklich überraschend. Für alle, die mit längeren Texten arbeiten, ist das Buch weiterhin Medium der ersten Wahl. Umsomehr überrascht ein Grundlagenpapier, das die Allianz der deutschen Forschungsgesellschaften unter dem Titel »Schwerpunktinitiative ›Digitale Information‹« kürzlich veröffentlicht hat. Mitglieder dieser Allianz sind die Alexander von Humboldt-Stiftung, der Deutsche Akademische Austauschdienst, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, die Hochschulrektorenkonferenz, die Leibniz-Gemeinschaft, die Max-Planck-Gesellschaft und der Wissenschaftsrat. Es muss sicher stetige Aufgabe sein, die Informationsversorgung der Wissenschaften zu verbessern. Dass dies aber ausschließlich durch digitale Medien erreicht werden soll, wie das genannte Grundlagenpapier nahelegt, kann nicht überzeugen. Wegen der im Wissenschaftsbereich immer noch wachsenden Aufwendungen für digitale Infrastruktur und digitale Inhalte droht der Erwerb gedruckter Bücher dort vollends zu versiegen. Und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, fordert die Allianz der Wissenschaftsgesellschaften nun auch eine Änderung des Urheberrechts: Man möchte »den Autoren das ›Grundrecht‹ sichern, ihre Ergebnisse im Sinne eines freien Zugangs der Wissenschaft zu Informationen publizieren zu können«. Diesem Satz muss man etwas länger nachschmecken. Was ist das für ein »Grundrecht«, das dem Autor da gegeben werden soll? Sämtliche Verwertungsrechte liegen doch schon nach jetzigem Urheberrecht beim Autor! Das ihm hier neu zugesprochene Recht soll jedoch »der Wissenschaft«, also anderen, einen freien Zugang zu seinen Büchern erlauben. Nicht der Autor bekommt etwas, er soll anderen etwas geben. Ihm wird kein Recht gesichert, sondern vielmehr eines weggenommen. Geben mag seliger sein als Nehmen, aber das Gebenmüssen als »Grundrecht« zu bezeichnen, das geht denn doch zu weit. Durch die Novellierung des Urheberrechts sollen die Professoren und Dozenten der Universitäten und Forschungseinrichtungen verpflichtet werden, sämtliche von ihnen verfassten Werke für eine kostenlose Online-Publikation zur Verfügung zu stellen. Dabei scheint die Allianz zu übersehen, dass dieser – in der Open-Access-Welt als »golden« bezeichnete – Weg in eine Sackgasse führt: Die Verlage werden ökonomisch kaum in der Lage sein, Geld in die Publikation von Büchern zu investieren, deren Inhalte frei aus dem Netz heruntergeladen werden können. Damit aber verlören die Autoren neben dem Honoraranspruch auch die Chance, dass ihre Texte professionell gestaltet, beworben und vertrieben werden. Roland Reuß, Herausgeber unter anderem der großen Kleist- und Kafka-Ausgaben des Stroemfeld-Verlags, hat vor diesem Hintergrund in einem Beitrag der Zeitschrift »TEXT. Kritische Beiträge« im Dezember 1994-2010 die Situation der Editionsphilologie in aller Schärfe und Polemik beschrieben und vor dem Verschwinden des gedruckten Buches gewarnt. Das Buch, so Reuß, ist das beste Medium nicht nur für die Langzeitarchivierung von größeren Texten, sondern auch für deren Qualitätskontrolle - und dies genau deshalb, weil bereits die unmittelbare Herstellung eines Buches eine Menge Geld kostet und mit wirtschaftlichen Risiken einhergeht. Die Rolle des Verlags ist die eines Investors in Zukunftsprojekte, der nicht nur für die Erfolge, sondern auch für die Misserfolge geradestehen muss. Entfällt dessen regulative Funktion, ist die Öffentlichkeit dem ungefilterten Angebot fachlicher und universitärer Repositorien ausgeliefert. Es ist nicht anzunehmen, dass das die Informationsversorgung der Wissenschaften verbesserte. Vittorio E. Klostermann | ||
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