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Freuds Widmung für Mussolini Als ich letztes Jahr antiquarisch die Erstausgabe von Sigmund Freuds »Der Mann Moses und die monotheistische Religion. Drei Abhandlungen« (erschienen im Verlag Allert de Lange, Amsterdam, 1939) erstand, fiel beim ersten Aufschlagen folgende eingelegte Kopie (schlechtes Papier) einer Widmung heraus:
Die Existenz dieser Widmung sowie die näheren Umstnde ihres Zustandekommens sind bereits seit längerem bekannt. Ernest Jones berichtet: »Eine Konsultation, die Freud in diesem Monat[1] gab, hatte wenige Jahre später interessante Folgen: Weiß[2] brachte ihm aus Rom eine schwierige Patientin, die von ihm behandelt wurde. Ihr Vater, zufälligerweise ein enger Freund Mussolinis, begleitete sie. Nun bat er Freud, Mussolini eines seiner Bcher zu schenken und auch noch ein paar Worte hineinzuschreiben; Weiß zuliebe willigte Freud ein. Er wählte das Buch ›Warum Krieg?‹, das er zusammen mit Einstein geschrieben hatte, und auf das Vorsatzblatt schrieb er in Anspielung auf die von Mussolini geförderten archäologischen Ausgrabungen folgende Worte: ›Von einem alten Mann, der im Diktator den Kulturheros erkennt.‹«[3] Wie leicht ersichtlich, konnte die deutsche Übersetzung nicht mehr mit dem Originaltext verglichen werden.[4] Zumindest Kurt R. Eissler scheint das aufgefallen zu sein, denn er bemühte sich intensiv darum, das Widmungsexemplar aufzufinden, was ihm schließlich auch gelang. Es befindet sich im Zentralen Staatsarchiv in Rom.[5] Als Edoardo Weiss einige unrichtige Behauptungen Jones’ korrigierte,[6] wies er auch auf den Transmissionsfehler bei der Übermittlung des Widmungstextes ausdrücklich hin: »Der ursprüngliche Text ist anders als der in der deutschen Ausgabe der Jones-Biographie wiedergegebene und lautet wörtlich: ›Benito Mussolini mit dem ergebenen Gruß eines alten Mannes, der im Machthaber den Kulturheros erkennt. Wien, 26. April 1933 – Freud.‹«[7] Soweit – sieht man von der Wiedergabe der Datumszeile ab – sogut. Doch dann erschien 1989 im selben Verlag wie der Briefwechsel Freud-Weiss die von Joachim A. Frank übersetzte Freud-Biographie Peter Gays,[8] und dort findet sich auf der Seite 503 eine umfangreiche Fußnote, deren Schlußsätze sich wie folgt lesen: »Die Widmung lautete: ›Von einem alten Mann, der im Herrscher den Kulturhelden grüßt‹, eine Anspielung, bemerkt Weiss, auf Mussolinis ›großangelegte archäologische Ausgrabungen‹, an denen Freud ›sehr interessiert war‹ (Edoardo Weiss, ›Meine Erinnerungen an Sigmund Freud‹, in Freud-Weiss, Briefe, S. 34f.).« Babel ist überall. rr, 9. September 1999 |
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