Briefwechsel Briefwechsel zwischen Friedrich Gentz und Adam Heinrich Müller. 1800-1829. Stuttgart. J. G. Cotta’scher Verlag. 1857. <II:> Buchdruckerei der J. G. Cotta’schen Buchhandlung in Stuttgart und Augsburg. <III:> Vorwort. Adam Müller starb kurz vor, Gentz nicht lange nach der Umwälzung des Jahres 1830. Seit diesem entscheidenden Abschnitt ist vom neuesten Lauf der Geschichte so viel verflossen, daß wir das Wesen dieser beiden Männer, die durch Gedanken und Schrift, durch Rath und That in die Bewegungen ihrer Zeit bedeutend eingegriffen, ungleich unbefangener betrachten und beurtheilen können, als es ihren nächsten Zeitgenossen möglich war. Andererseits sind die großen politischen und literarischen Vorgänge, in denen sie handelnd aufgetreten, noch in so frischem Andenken, daß kein über die äußere und innere Entwicklung dieses Jahrhunderts im Allgemeinen Unterrichteter einer besondern Einleitung bedarf, um den vorliegenden Briefwechsel zu verstehen und zu würdigen. Was Gentz mit seinem außerordentlichen Talent erstrebt, was er erreicht und nicht erreicht, wissen Alle; und wer neben der Thatsache, daß Adam Müller für einen der begabtesten Menschen seiner Zeit galt, etwa nur die allgemeinen Umrisse seiner Thätigkeit kennt, erhält durch seine Briefe selbst ein vollständiges Charakterbild, das ungemein vielseitig und aus allen Gesichtspunkten, politisch, philosophisch, theologisch, literarisch, gleich merkwürdig ist. Daß und in welcher Weise Gentz und Adam Müller eng verbunden gewesen, war im Allgemeinen wohl bekannt; auch sind bereits einzelne zwischen ihnen gewechselte Briefe veröffentlicht worden; so <IV:> namentlich in der von Schlesier veranstalteten Sammlung der Gentzschen Schriften (Leipzig 1838-1840) und in J. G. M. Brühls „Geschichte der katholischen Literatur“ (Leipzig 1852). Aber erst die hier mitgetheilten, die neun und zwanzig Jahre ihres Verkehrs umfassenden Briefe belehren vollständig über das Verhältniß der beiden Männer und die Bedeutung desselben für die Zeitgeschichte. Der Herausgeber dieser Briefe, dem sie unmittelbar aus der Verlassenschaft von Gentz und Adam Müller mitgetheilt worden sind, war mit beiden durch Bande der Freundschaft eng verknüpft und stand mit ihnen lange in schriftlichem und mündlichem Verkehr. Das heutige Geschlecht hat es als eine seiner Aufgaben erkannt, mit Sorgfalt die Reliquien der Männer aufzubewahren, welche in die geschichtliche Entwicklung in irgend einer Weise bedeutend eingegriffen haben. Es ist aber nicht zweifelhaft, daß in dieser bereits so reichen Sammlung mannigfaltiger geschichtlicher und literarischer Urkunden der vorliegende Briefwechsel vom öffentlichen Urtheil sehr hoch gestellt werden wird. Es ist vielerlei, und es ist viel daraus zu lernen. So dankenswerth es erscheinen muß, daß durch diese Briefe die Charakterbilder der beiden Männer wesentlich vervollständigt werden, so ist dieß doch nur ein untergeordnetes Verdienst gegenüber der allgemeinen geschichtlichen Bedeutung: sie bieten in großen und kleinen Zügen, in thatsächlichen Angaben und Anekdoten, wie in moralischen Momenten ein sehr schätzbares Material zur Geschichte und Literatur des Zeitalters der Blüthe und des Sturzes der Napoleonischen Herrschaft und der innern deutschen Bewegungen, welche die Grundlagen unserer gegenwärtigen öffentlichen und geistigen Zustände geworden sind. Wenn Gentz, der Rationalist und praktische Staatsmann, und Adam Müller, der Mystiker und theosophische Staatskünstler, sich so merkwürdig anzogen, und so oft sie sich auch abstießen, immer wieder zusammenstrebten, so erklärt sich die Erscheinung eben aus dem Trieb zur gegenseitigen Ergänzung in zwei nach Geist, Gemüth und Willen grundverschieden angelegten Wesen. Ihre Nerven, die <V:> nur die große Erregbarkeit überhaupt gemein hatten und fast auf alles so verschieden reagirten, waren nur in Einer Richtung gleich aufgezogen und gestimmt, in der Idiosyncrasie gegen auffallende meteorische Bewegungen, zumal die elektrischen Entladungen in der Luft. Die Gewitterfurcht zieht sich von beiden Seiten seltsam durch den ganzen Briefwechsel durch, und sie äußert sich oft in sehr auffallender, ja in komischer Weise. Dabei ist indessen in Rechnung zu bringen, daß damals dilettantische Beschäftigung mit physikalischen Wissenschaften und phantastische Wettertheorien eine ganz andere Rolle spielten als heutzutage. Da Müller seinen Aufenthaltsort häufig wechselte, so erscheint es zur leichteren Orientirung des Lesers zweckmäßig, die Hauptmomente seines Lebens hier kurz aufzuführen. Adam Heinrich Müller war geboren zu Berlin im Jahr 1779. Im Frühjahr 1805 trat er in Wien zur katholischen Kirche über, und hielt darauf zu Dresden, später (1809) zu Berlin öffentliche Vorlesungen. Vom Frühjahr 1811 an lebte er in Wien im Hause des Erzherzogs Maximilian von Este und hielt daselbst 1812 Vorlesungen. Im Jahr 1813 trat er in österreichische Dienste als kaiserlicher Landescommissär und Schützenmajor in Tirol, und half die Verhältnisse dieses Landes ordnen. Beim Wiederausbruch des Krieges mit Frankreich im Jahr 1815 wurde er dem Hauptquartier des Kaisers beigegeben und folgte der Armee nach Paris. Nach dem Frieden wurde die Stelle eines österreichischen Generalconsuls in Leipzig eigens für ihn geschaffen, und er bekleidete dieselbe bis zu seiner Berufung nach Wien. Sein Journal, die „Staatsanzeigen,“ erschien 1816-1818. Im Jahr 1827 wurde er als Hofrath im außerordentlichen Dienst angestellt und war bei der Haus-, Hof- und Staatskanzlei thätig. Er starb plötzlich am 17. Januar 1829. – Seine Hauptschriften sind: die Lehre vom Gegensatz, 1804; die Vorlesungen über deutsche Wissenschaft und Literatur, 1806-1807; von der Idee des Staats, 1809; die Elemente der Staatskunst, 1809; Theorie der Staatshaushaltung, <VI:> 1812; Versuch einer Theorie des Geldes, 1816; von der Nothwendigkeit einer theologischen Grundlage der gesammten Staatswissenschaften, 1819. Was Gentz betrifft, der mehr in der Oeffentlichkeit wirkte, dessen äußeres Leben daher allgemeiner bekannt ist, so werden die folgenden Bemerkungen genügen. Friedrich Gentz war geboren zu Breslau 1764. Er trat 1802 in österreichische Dienste als kaiserlicher Rath, später Hofrath; er war der Protokollführer bei allen europäischen Congressen seit Bonapartes Sturz, zu Wien, Aachen, Carlsbad, Troppau, Laibach, Verona; er war, selbst durch die lebhaftesten Wünsche seines Freundes Müller, nicht zu vermögen, zur katholischen Kirche überzutreten, wenn er auch zu Zeiten, wie mehrere seiner Briefe bezeugen, nahe genug daran war, und starb im Sommer 1832. |
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