Briefwechsel

229.

Salzburg, den 14. September 1826.

Gestern früh, ehe ich von Gastein abreiste, erhielt ich Ihren mir werthen Brief vom 12. nebst den Nummern des neu gestifteten Correspondenten. Das Ganze gewährte mir im Wagen eine herrliche Unterhaltung. Daß das Unternehmen lange bestehen sollte, bezweifle ich aus mehr als einem Grunde. Aber in magnis voluisse sat est.

Ein Umstand, den ich mir gar nicht erklären kann, ist, daß Sie in einem Schreiben vom 12. von meinem viel früheren Schreiben, worin ich Ihnen (unter andern auch für Sie nicht ganz gleichgültigen Dingen) meinen sehnlichen Wunsch, während meines vierwöchentlichen Aufenthaltes in Gastein etwas von Ihnen zu erhalten, ausdrückte, kein Wort sagen. Es ist unmöglich, daß Ihnen jenes Schreiben (vom 14. oder 15. August) nicht zugekommen wäre.

Eben so seltsam ist Ihr Stillschweigen oder Ihre höchst unbestimmte Aeußerung über Ihr Vorhaben, nach Wien zu reisen, während der Fürst mir unterm 15. d.M. schreibt: „Müller hat mich dringend um Erlaubniß gebeten, nach Wien zu kommen; ich habe Sie ihm sehr gern ertheilt, und um so mehr, als sein vorzüglichster Beweggrund alle Rücksicht verdient.“ – (Er führt diesen Beweggrund auch an.) Warum Sie mir von dem allem nichts melden, weiß ich nicht. Vermuthlich gehört dieß in das Kapitel Ihrer alten Bizarrerien, und ich habe freilich nicht erst seit gestern die Bemerkung gemacht, daß Ihre Briefe, so großen eigenthümlichen Werth sie besitzen, fast niemals Antworten auf die sind, die man Ihnen adressirt.

Wenn Sie wirklich das höchst lobenswerthe Projekt haben, Wien zu besuchen, so muß sich die Sache nun doch bald aufklären. – Ich habe unterdessen Salzburg nicht verlassen wollen, ohne Ihnen den Empfang Ihres Paketes anzuzeigen.

Vale et fave.

Gentz. <393:>