Briefwechsel

215.

Verehrtester Freund!

Ich finde es zweckmäßig, Ihnen den beigehenden, mir von Göttingen aus zugekommenen Aufsatz zuzuschicken. Der Verfasser ist Dr. Hülsemann, ein junger, angenehmer, besonnener und reinlicher Lehrer zu Göttingen, der jüngst nach Frankfurt geholt wurde, um Woronzow (den Münchner Gesandten), Persiani (den Günstling Capodistrias) und Galitzin diplomatisch und publicistisch abzurichten. <361:>

Nun sende ich Ihnen seinen kleinen Aufsatz über die griechischen Angelegenheiten, als merkwürdigen Beweis, daß es noch ein wohlgestelltes und unbefangenes Urtheil über die Politik unseres Hofes gibt. Insbesondere ist die Stelle über den Religionskrieg und die heilige Allianz recht gut. Ich kenne nur Eine Art, wie diese große Sache von dem Privatschriftsteller zu behandeln ist; nämlich die Liberalen 1) als Vertheidiger der Religion und der beiden Maximen: den Ungläubigen ist keine Treue zu halten, und: der Zweck heiligt die Mittel – in Griechenland; und 2) als Vertheidiger der Legitimität – in den spanischen und portugiesischen Colonien an den Pranger zu stellen.

Ueber das letztere Thema enthält Ihr vortrefflicher Aufsatz über Portugal so gründliche, tiefsinnige und reich modulirte Variationen, daß wenig zu sagen übrig bleibt. Ihr getreu ergebener

Leipzig, den 1. September 1822.

Adam Müller.