Briefwechsel

1822.

213.

Wien, den 29. Mai.

Die wenigen Worte, die Sie über das Manuscrit de St. Helène gesagt haben, sind vortrefflich und eines großen Meisters würdig. „Die dritte und wahrscheinlich letzte Landung Napoleons“ ist ein so glückliches Wort, daß ich Sie darum beneiden möchte. Sie wissen doch, daß der ganze große Anachronismus auf einer handgreiflichen Versetzung einiger Blätter in der Druckerey beruht? Als ich mit Metternich (am Charfreitag Abend) die erste Lektüre der Schrift machte, sprang uns diese Auflösung gleich in die Augen, und das einzige, damals in Wien vorhandene Exemplar war schon am folgenden Morgen so corrigirt, daß Niemand an diesen Anstoß mehr denken konnte. Uebrigens bin ich nicht Ihrer Meinung über die zwei verschiedenen Epochen der Composition des Buches, wohl aber darüber, daß im letzten Theil ein anderer Charakter herrscht als im ersten. Es ist kein Zweifel, daß der eigentliche Redakteur Las Casas (ehemals Lesage genannt) war; und es scheint, daß er im letzten Theil etwas mehr von seinem Styl eingemischt hat als im ersten. Das Ganze ist jedoch unbezweifelt Napoleons Werk, konnte nur ihn allein zum Verfasser haben, und es müßte zwei Napoleons geben, wenn ein Anderer dieß erfunden haben sollte.

Gentz. <360:>