Briefwechsel

200.

Leipzig, den 9. Oktober 1820.

Hauptmann Prokesch, Adjutant und Secretär des Feldmarschalls Schwarzenberg, geht in diesen Tagen in einem Strich, Tag und Nacht <331:> nach Wien; vielleicht sehr bald, wenn er die Trauerbotschaft zu bringen hätte, der wir täglich entgegen sehen müssen. Derselbe hat mir versprochen, die Lerchen mit nach Wien zu nehmen, die alsdann in der besten Verfassung dort ankommen würden. Da ich nun nicht weiß, wann Sie nach Troppau abgehen werden, so bitte ich nur für jeden Fall Dispositionen zu treffen, daß die Lerchen nicht etwa in Ihrer Wohnung liegen bleiben und verderben. Da sie in 3½ Tagen also völlig frisch nach Wien kommen, so würden sie Ihnen, wenn die Kälte fortdauert, ohne Gefahr nachgeschickt werden können. Wüßte ich etwas Näheres über Ihre etwanige Reise, so hätte ich meine Sendung durch die Couriergelegenheit an Eichler adressirt, und deren Diskretion die weitere Instradirung überlassen.

Sie werden schon wissen, daß die frühe eingetretene rauhe Witterung den Feldmarschall zu Boden geworfen hat. Er ist seit acht Tagen in einem Zustande, der einen Stein erbarmen möchte; überhaupt fängt der Jammer dieses Hauses an, die allgemeinste und innigste Theilnahme zu erregen. August und September war alles in den besten Hoffnungen; Mitte September erregte die Kälte einen heftigen Schnupfen, der überwunden schien, als am Sonntag vor acht Tagen Mittags – die Herzogin von Köthen speiste eben dort – sich heftige Convulsionen mit Erbrechen einstellten. So ist die ganze letzte Woche vergangen; Freitag Abend nahm das Erbrechen zu, so daß man Miserere befürchtete, Sonnabend Morgen wurde er mit allen heiligen Sterbsakramenten versehen, und sein Ende in höchstens einer Stunde erwartet. Die sehr starke Natur überwand indeß für den Augenblick; das Erbrechen hörte auf – ob durch das Hahnemann’sche Mittel, den Geruch der Ipecacuanha, oder durch einige ihm applicirte Theelöffel warmen Wein, wage ich nicht zu entscheiden. Seitdem hat sich das Leiden etwas, aber unendlich wenig, gemildert; man hat ihn mit unsäglicher Mühe von dem Landhause, welches er bewohnte, in die Stadt transportirt; und in Gottes Hand steht allein jeder folgende Augenblick, da die menschliche Kunst am Ende ist. Daß er an Arzneikrankheiten von den früheren Behandlungen her zu Grunde geht, ist für mich ziemlich außer allem Zweifel. Das Betragen der Fürstin, der Adjutanten und sämmtlicher Umgebungen ist über alles Lob erhaben, und hat mitten im Getümmel der Messe Aufmerksamkeit und Ehrfurcht eingeflößt. Bei dem Gemüthszustand des Fürsten und <332:> seinen heftigen Apprehensionen war es kein kleiner Entschluß von Seite der Fürstin, als sie am Freitag Morgen die Geistlichen rufen und am Sonnabend die Sakramente ertheilen ließ. Aber dieser Muth hat sich auch belohnt, nicht nur jeden Katholiken erbaut, sondern auch das Gemüth des Leidenden aufgerichtet, statt ihn zu erschrecken.

Adieu, mein verehrter Freund.

Den 12. Oktober, Morgens.

Ich benutze den Durchgang eines Köthenschen Couriers, um Ihnen zwei Schock Lerchen zu übersenden. Die Lebensflamme des Feldmarschalls wird seit drei Tagen mit Eisumschlägen auf dem Kopf erhalten. Die Herzogen von Sagan ist bei ihm; Fürst Joseph wird stündlich erwartet. Es wäre ein wehmüthiges Zusammentreffen der Umstände, wenn er gerade den siebenten Jahrestag der Schlacht durch sein Sterben feiern sollte.

A. Müller.