Briefwechsel

197.

Gastein, 14. August 1820.

Wir werden hier täglich von den schrecklichsten Gewittern heimgesucht. Noch diesen Nachmittag war zwischen 4 und 6 Uhr ein solches, daß Graf Clam (der Vater) und ich beide erklärten, nie etwas ähnliches gehört zu haben. Da es bei der Lage des Bades höchst unwahrscheinlich, auch noch kein Beispiel vorhanden ist, daß diese von hohen Bergen ganz umringte und von einem ungeheuren Wasserfall durchströmte enge Kluft vom Gewitter getroffen werden sollte, so ist es ungleich weniger Furcht, als Unbehaglichkeit und Widerwille, den diese immerwährenden Heimsuchungen mir einflößen. Dabei ist nicht einmal der Vortheil, irgend eine vernünftige Beobachtung anstellen zu können. Das Thal ist nur nach Norden zu einigermaßen offen, und von da kommen bekanntlich keine Gewitter her. Auf allen andern Seiten weiß man nie, was hinter den Bergen, die bis auf 60 oder 70 Grad Höhe den Horizont bedecken, vorgeht. Soviel bleibt nur immer gewiß, daß alle bedeutende von Südwest herziehen. Gewöhnlich bleiben sie aber auf einer gewissen Stelle in dem ostwärts liegenden Bergrücken, etwa in gerader Linie eine Viertelstunde vom Bade, stundenlang stecken, und toben nun hier mit unausgesetzter Wuth.

Unter diesen Conjuncturen werde ich vermuthlich den 17. oder 18. von hier abgehen, meinen Weg (wenn das Wetter unten sicherer und besser ist als oben) von Salzberg über Ischel, Aussee und Bober nehmen, und den 23. oder 24. wieder in Wien seyn. Viel länger könnte ich ohnehin nicht ausbleiben. Zum Spazierenfahren ist die Welt nicht mehr gemacht; und heute, wo eine ernste und trübe Begebenheit die andere drängt, ist es am besten, auf seinem Posten zu stehen. Ueberdieß hat <320:> mich die Entschlossenheit und Energie, welche unser Hof bei der neuesten Revolution in Italien an den Tag legt, mit neuem Muth belebt, und ich habe eine ungewöhnlich starke Hoffnung, daß das: Tu ne cede malis, sed contra audentior ito – sich dießmal bewähren wird.

Gentz.