Briefwechsel

194.

Wien, den 22. April 1820.

Ihr heutiges Schreiben ist mir in vieler Hinsicht unverständlich, und der Gegenstand muß also auf mündliche Verhandlung vorbehalten bleiben. Ueberhaupt verlange ich von Ihnen, zu bedenken, daß es wohl zu meinen anderweiten Ueberzeugungen gehören muß, auf die Verantwortung dessen zu denken, was ich thue. Wodurch ich mir geschadet haben soll, sehe ich zur Zeit noch nicht ein. Mit dem Unverstande der Leute, mit unberufenen Urtheilen, denen Sie so gut als ich ausgesetzt sind, werden Sie mich wahrscheinlich nicht bedrohen wollen. Also geschadet bei Ihnen? Hoffentlich nur durch mein Beharren bei meinen Ueberzeugungen in Ansehung des katholischen Glaubens und der ständischen Freiheit. Hierüber kenne ich kein Weichen und Wanken; ich wäre ein Verräther an Gott und dem Kaiser, und an meinen Kindern, wenn ich diese ewigen Dinge der augenblicklichen Situation meines ältesten Freundes nachsetzen könnte. In allen andern Rücksichten habe ich, wie mein Herz und Gewissen bestätigen, als Freund und Vasall gegen Sie gehandelt, alle meine Dienstarbeiten Ihnen unterworfen, sogar die sehr unabhängige über Canning, und die nunmehr wahrscheinlich das Schicksal der übrigen haben wird. Außer mir werden Sie in allen erlaubten Dingen keine treuere Seele auf Erden finden. – Beiliegend die méditations von Lamartine, und das Stück der Allg. Zeitung. Letzteres sollte für die Arbeit eines der abgefeimtesten, unterichtetsten und talentvollsten Anhänger des Grafen St..... gelten können, wenn nicht der boshafte Hieb in der Schlußperiode diese Vermuthung zu Schanden machte. Was ich über diesen Vogel mit seiner „Geldesblüthe“ denke, so wie meine Neugierde, seinen Namen zu <316:> wissen, haben Sie richtig vorausgesehen. Nichts destoweniger möchte ich das Wort: „Oesterreich – der Hort des Gemäßigten und die Zuversicht der Nachwelt,“ geschrieben haben.

A. Müller.