Briefwechsel 187. Wien, den 15. December 1819. Ich erhielt Ihr Schreiben vom 9. und zugleich stellte mir der Fürst alles das zu, was Sie unter demselben Datum an ihn gerichtet hatten. Aus letzterem ersah ich erst, daß Sie ihm ein Promemoria über die Handels- und Gewerbssache eingesendet haben. Dieses soll mir ebenfalls mitgetheilt, und konnte nur gestern, da es schon spät war, nicht mehr aufgesucht werden. Sie sind im Irrthum, wenn Sie glauben, daß diese Sache hier nicht zur Sprache kommen soll. Es ist vielmehr ein eigener Ausschuß von sieben Conferenzmitgliedern dazu ernannt. Was Sie daher nur irgend <308:> zur Aufklärung des Gegenstandes beibringen können, bitte ich Sie möglichst zu beschleunigen. Es wird besonders mir, da ich voraussehe, daß ich in die Sache gezogen werde, sehr willkommen seyn. Denn ich lege Ihnen hier das aufrichtige Geständniß ab, daß ich bis jetzt von Maßregeln zu Lösung dieser Aufgabe so wenig einen Begriff habe, als wenn es sich darum handelte, den Mond in eine Sonne zu verwandeln. Die Vorsteher des Vereins haben von Nürnberg aus ein sehr feierliches, von acht oder zehn Personen unterschriebenes Schreiben an mich erlassen, worin sie mich aufs Dringendste auffordern, mich ihrer Sache anzunehmen; ich habe aber nichts daraus gelernt und bin eben so weit als zuvor. Dieß Schreiben und alle andern bis jetzt (da ich Ihr Memoire noch nicht kenne) mir zu Gesicht gekommenen Aufsätze gehen sämmtlich auf zwei Vorschläge hinaus, die ich für reine Hirngespinnste halte. Einmal die Abschaffung aller Zölle an den Grenzen der einzelnen Bundesstaaten und Verlegung derselben an die äußersten Grenzen des Bundesgebietes. Zweitens Retorsionsmaßregeln gegen die Industrie der Fremden. Beide Vorschläge scheinen mir so absolut unpraktisch und unausführbar, daß ich nicht einmal verstehe, von wem, in welchen Terminis, mit welchen Vollziehungsmitteln sie ernsthaft zur Deliberation gestellt werden könnten. Wenn ich hierin irre, oder wenn es, außer diesen phantastischen Vorschlägen, andere rettende und zugleich ausführbare Maßregeln gibt, so belehren Sie mich darüber. Unsere Conferenzen gehen vortrefflich. Die Hauptfragen das Verhältniß der einzelnen Staaten zum Bunde die Competenz des Bundes und der 13. Artikel sind so gut als abgethan. Da ich über den letzten Punkt noch in keine nähere Erklärung eingehen darf, auch nicht vollkommen gewiß bin, ob Sie das, was geschehen ist, eben so ansehen werden, wie ich, so kann ich vor der Hand nur von meinem Gefühl sprechen. Nach diesem hat der gestrige Tag wichtiger als die von Leipzig und Waterloo nicht bloß das revolutionäre System, sondern jedes auf dem Princip der Theilung der Gewalten beruhende Repräsentativsystem, insoweit dieß durch von oben herab ausgesprochene Grundsätze bewirkt werden kann, für Deutschland unwiderruflich gestürzt. Nach der positiven Anwendung fragen Sie mich nicht; Sie erkennen es sicher als eine hinreichend große Wohlthat, daß das bevorstehende Corpus juris <309:> publ. German. nichts mehr von den drei Faktoren wissen wird, und daß das landständische System wenigstens im Gebiet der öffentlichen Gesetzgebung gerettet ist. Ich kann Ihnen nicht beschreiben, wie froh ich über diese ersten Resultate bin. Schicken Sie mir ohne Zeitverlust Materialien zu dem Handelscomité und melden Sie mir alles, was Sie darüber denken. Gentz. |
||
Copyright by Institut für
Textkritik, Heidelberg © 2005 |
||