Briefwechsel

186.

Wien, den 27. Oktober 1819.

Ich hatte vor mehreren Tagen einen Brief an Sie angefangen, den ich aus Mangel an Zeit nicht beendigen konnte. Diesen lasse ich zwar für den Augenblick noch liegen, muß Ihnen aber nichtsdestoweniger den Empfang Ihres mir höchst erfreulichen Schreibens vom 20. ankündigen.

Ich habe es dem Fürsten diesen Morgen ganz vorgelesen, Ihren Auftrag also in seinem vollen Umfange vollzogen. Fahren Sie nur fort, faktische Daten und Notizen zu liefern, übrigens freimüthig zu reden, wie Sie denken. Auf eine oder die andere Art wird von allem, was Sie liefern, Gebrauch gemacht. <307:>

Wir lassen uns durch keines der unangenehmen Symptome, die hier und dort zum Vorschein kommen, anfechten. Der Feind ist, comme de raison, noch nicht geschlagen, wohl aber sehr demontirt und deroutirt, und seine Verzweiflung selbst gibt ihm das Ansehen großer Furchtbarkeit. Wenn wir zusammenhalten und fortschreiten, werden wir bald mehr Terrain gewinnen. Die großen Verhältnisse stehen alle vortrefflich; die französische Regierung wird uns helfen, so viel sie (telle qu’elle est) vermag, aber sicher und zuverlässig uns nicht schaden. Die vor einigen Tagen von Warschau eingegangenen, sehr ausführlichen und überaus wichtigen Briefe lassen von Seiten des Kaisers Alexander kaum noch etwas zu wünschen übrig. Die bevorstehenden Conferenzen zu Wien werden für das fernere Schicksal der Sache entscheidend seyn.

Was ist bedaure, ist, daß ich von den zwei Schock Lerchen, die Sie meinen Schwestern geschickt haben, nicht wenigstens die Hälfte verzehren konnte. Ich habe von London eine Menge Bankschriften erhalten, worunter auch die von Turner ist; aber die Zeit, die Zeit! Liebster Freund! Wenn man doch nur doppelt leben könnte!

Lesen Sie, zu Ihrem Scandal, die kleine Schrift von Bode wider die Meteorologie. Sie werden sagen: es ist das Werk eines vertrockneten Mechanikers und Materialisten; indeß ist nicht zu leugnen, daß der alte Salbader einige starke Gründe gegen die kosmische Witterungstheorie aufgeführt hat. Adieu.

Gentz.