Briefwechsel

166.

Leipzig, den 18. August 1818.

Ich habe mich etwas länger in Dresden verweilt, als früher meine Absicht gewesen, und so können die mir von Ihnen, mein verehrter Freund, ertheilten Commissionen erst in einigen Tagen vollständig erledigt werden. Vorläufig sende ich Ihnen die Probebögen meiner Biographie Horners; vielleicht verdienen sie Ihre Beachtung, zumal darin Ihr Name gemißbraucht worden. Beckedorff hat mir Ihr Schreiben übergeben; ich danke dafür mit der wehmüthigen Bemerkung, daß an einen wahren Briefwechsel mit Ihnen doch nicht mehr zu denken ist. Schon auf der ersten Post hinter Carlsbad erwachte in mir der Regret über so unendlich vieles im Gespräch mit Ihnen Versäumte. Jetzt habe ich, wenn ich Ihrer gedenke, d.h. Tag und Nacht, ganze Berge von Vorträgen auf dem Herzen. Es ist ein wahrer Beweis für das ewige Leben, wenn ich dessen bedürfte: nämlich die unermeßliche Menge der Dinge, die ich mit Ihnen und nur mit Ihnen zu verhandeln hätte. Auch weiß ich, daß Sie in einigen Jahren meiner sehr bedürfen werden.

An jenem Abend in Eicha sagten Sie zu Beckedorff: „Die Vergangenheit ekelt mich an und die Zukunft fürchte ich.“ Liebster, verehrtester Freund! Dieß schauderhafte Wort aus dem Munde, den ich seit zwanzig Jahren am liebsten höre, der mir die Welt aufgeschlossen hat und dem Gott eine so vorzügliche Gewalt über die Großen und Mächtigen der Zeit gegeben, habe ich bei der Erinnerung an Carlsbad beständig vor der Seele.

Und dann in eben jenem neuesten Briefe durch Beckedorff bemühen Sie sich mich zu überreden, welche Kluft uns trenne, nachdem sich in <262:> dem letzten Sonntagsgespräch erwiesen hatte, daß es nur wenige ebene Schritte sind. Könnten Sie die Unruhe meines Herzens über Sie wahrnehmen, so würden Sie wenigstens eine Liebe und Verwandtschaft der Geister empfinden, welche alle Klüfte überfliegt.

Genug! Ich bitte Sie um Nachricht über Ihre Reiseprojekte, ob Sie über Leipzig gehen oder wo man Sie etwa noch vorübergehend erreichen könnte.

Adam Müller.