Briefwechsel 162. Wien, den 23. Juni 1818. Ich habe heute, mein theuerster Freund, Ihren Brief vom 15. d. erhalten. Das Nothwendigste ist aber, daß ich mich über die Schlußstelle Ihres früheren Briefes gehörig erkläre. Es war kein leerer Traum, wenn ich Ihnen von einer Zusammenkunft in diesem Sommer sprach. Schon an dem Tage, als ich mit dem Fürsten gemeinschaftlich Ihr Sendschreiben an Görres las, wurde der Gedanke rege, Sie während unsres bevorstehenden Aufenthalts in Carlsbad dorthin zu citiren. Ich glaubte, Sie würden aus meinen sehr bestimmten Aeußerungen dieß Projekt gleich errathen haben. Rein auszusprechen wagte ich es nicht, weil ich doch nicht ganz zuverlässig wußte, ob der Fürst dabei beharren würde. Als ich Ihren vorletzten Brief erhielt und ihm denselben vorlas, wiederholte er mir aber das Versprechen, und autorisirte mich, Sie davon vorläufig zu benachrichtigen. Die Abreise des Fürsten wird nicht später als in acht Tagen von hier Statt haben. Der Tag der Abreise ist noch nicht ganz fixirt, weil es darauf ankömmt, an welchem Tag der Kaiser zurückkehrt. Geschieht dieß bis spätestens den 2., so erwartet der Fürst den Kaiser; verzögert sich dessen Ankunft, so reiset er ohne Weiteres ab. Meine Abreise habe ich auf den 5. festgesetzt. Da ich aber einen oder zwei Tage in Prag bleibe, so werde ich vor dem 11. oder 12. nicht in Carlsbad seyn. Gleich darauf wird die Einladung an Sie ergehen, und ich bitte Sie nur, ihr recht schnell Folge zu leisten. Der Fürst bleibt bis zu Ende Juli in Carlsbad, geht dann auf 14 Tage nach Eger, und von da (wahrscheinlich) nach Johannisberg, in welchem Fall er dann den Kaiser in Frankfurt erwartet, um mit ihm nach Aachen zu reisen. Ich gehe zuvörderst mit der sehr ernsthaften Absicht nach Carlsbad, dort die Kur zu gebrauchen (ob ich mich gleich seit drei Monaten so wohl befinde, wie ich seit dem Jahre 1808 es nicht mehr war). Meine weiteren Plane sind noch etwas unbestimmt; gewiß ist, daß ich mich zur Congreßzeit nach Aachen begebe, und wahrscheinlich, daß ich den Fürsten nicht mehr viel verlassen werde. In keinem Fall kehre ich vor dem Congreß nach Wien zurück. Hier haben Sie nun alles, was Ihnen für den Augenblick zu wissen nöthig ist. Alle weitere Correspondenz, obgleich jedes Schreiben von Ihnen <256:> mir eine frohe Erscheinung ist, wäre in diesem Augenblick unnütz und vergeblich; denn spätestens in drei Wochen denke ich Sie zu sehen und freue mich darauf mehr, gewiß weit mehr, als Sie glauben, so sehr ich mich auch in mancher Rücksicht davor fürchten sollte. Meine persönliche Liebe zu Ihnen ist so groß, daß, wenn wir auch centnerschwere Differenzen mit einander zu verhandeln hätten, doch das Vergnügen, einige Tage mit Ihnen zu verleben, alle andern Rücksichten und Gedanken in mir auslöscht. Sie werden in der Allgemeinen Zeitung den Aufsatz über unsere Geld- und Creditoperationen bemerkt haben. Ich hoffe, er wird im Auslande einen guten Effekt machen. Ich habe ihn mit vieler Sorgfalt ins Französische übersetzt und er ist französisch in Form einer Broschüre gedruckt worden. In wenig Tagen werden Sie ein Exemplar von dieser Broschüre erhalten. Wenn Sie sich die ganze Aufgabe recht lebhaft denken, so werden Sie wohl gestehen, daß diese Arbeit, so einfach und anspruchslos sie auch aussieht, kein kleines Kunststück war; und Sie müssen wissen, daß ich mir viel darauf einbilde. Gentz. |
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