Briefwechsel 148. Leipzig, 17. Oktober 1816. Ich danke Ihnen, mein verehrter Freund, für die Bekanntschaft des ehrenwerthen Mannes in Lemberg. Ob ich seinen gegensätzischen Plan, ob ich den Gedanken, Ein Geld durch ein entgegenstehendes zu tragen und zu verbürgen, billige, kann Ihnen wohl nicht zweifelhaft seyn. Es ist augenscheinlich, daß alle Funktionen des Geldes in der Zeit, als Capital, Darlehen, Depositum, Staatsabgabe (die ja auch Monate lang, nachdem sie empfangen, erst zur Ausgabe kommen kann), nothwendig den Funktionen des Geldes im Raume, auf dem Markte, oder als Kauf- und Tauschartikel balancirend entgegenwirken müssen, und daß also die von Füger vorgeschlagene gesetzliche Trennung der beiden Funktionen, um sie zur Reaktion zu bringen, ihre Wirkung nicht verfehlen kann. Seinem System steht nichts entgegen, als die Unmöglichkeit, es ohne eine mächtige Bank gegen den ersten Choc der öffentlichen Meinung in Gang zu setzen. Alles kommt darauf an, die Bank zu etabliren und zu befestigen: die Constituirung eines solchen Individuums von übermächtigem Credit ist die Vorbedingung aller Verbesserung des Geldwesens. Man schaffe sich zuerst Bankactionärs und dann gebe man ihnen Füger zu lesen. Um aber die Bank zu etabliren, gibt es nur Ein souveränes Mittel: man verbiete die Ausfuhr der rohen Wollen, und gebe der Bank das Monopol des auswärtigen Handels mit den silbernen Vließen von Oesterreich. Dann wird <227:> 1) der Grundeigenthümer, um an der Veräußerung unseres unermeßlichen Ueberflusses von Wolle zu profitiren, Bankactien nehmen müssen. 2) Unsere vortrefflichen Tuchfabrikanten werden die Wolle wohlfeiler beziehen, und um so mehr mit dem Auslande concurriren, als sie es schon jetzt thun, wo Engländer und Niederländer die beste Wolle auf dem Schafe in Ungarn und Mähren aufkaufen. 3) Der ungeheure Vortheil der Zwischenhändler des Auslands, welche dermalen die Wolle in Oesterreich kaufen, wird dem Inlande und der Bank zugeleitet; und diese Ausländer, da sie den Vortheil des Geschäfts kennen, werden selbst Actien nehmen. 4) Im schlimmsten (für mich wohlthätigsten) Falle wird der Greuel unserer Wollerzeugung, der die ganze innere Oekonomie Oesterreichs aus ihren Fugen bringt, dadurch gehemmt, und die Rindviehcultur, die für die große fleischfressende Monarchie viel wichtiger ist, befördert werden. Wir kaufen Mastvieh für baare Millionen im östlichen Auslande, und dafür verkaufen unsere herrschaftlichen und anderweiten Wucherer für baare Millionen Wolle im westlichen Auslande. Diese werden verwandt, um auf die Baisse unseres Curses zu spielen; jene drücken auf gleiche Weise durch eine natürliche Nothwendigkeit auf unsern Curs. Nichtsdestowneiger <sic!> verkaufen wie die Wolle im Durchschnitt nicht auf Märkten und in Concurrenz, sondern an Ausländer, die die Noth und den Bedarf jedes Gutsbesitzers kennen, einzeln, also zum Minimum des Preises. Das Rindvieh dagegen erkaufen wir von den inländischen Wucherern zum Maximum des Preises, so daß mit jedem Tage tausende unserer fleischbedürftigen Arbeiter unter das Niveau der ungeheuren Fleischpreise herabsinken. Rechnen Sie hiezu die moralischen Folgen der übermäßigen Erzeugung einer Handelswaare wie die Wolle, die Verwüstung unseres Bodens, weil ein Schaf so geschwind, das Rindvieh (ungeachtet aller Düngervortheile) so langsam rentirt. Daher der Leichtsinn und Wuchergeist, der sich in die Landwirthschaft, die nur durch Ruhe, Gelassenheit und Nachhaltigkeit bestehen kann, einschleicht. Wer bei der Wolle den Wucher mit dem baaren Gelde gelernt hat, wird ihn auch bald beim Getreide üben. Wenn die Oekonomie in solcher Verwirrung ist, wie sollte die Theurung nachlassen und der Curs sich verbessern können? Endlich 5) droht, wie die Stockung des Wollhandels und alle Nachrichten von Nordamerika beweisen, aller europäischen Wollerzeugung die größte <228:> Gefahr. Wenn plötzlich ungeheure Vorräthe aus dem für diese Produktion so hochbegünstigten Amerika anlangen und die Preise auf die Hälfte herabsinken werden, wird unsere Administration zu spät bereuen, nichts gethan zu haben. Ich weiß, daß die von mir vorgeschlagene Maßregel unmöglich ausgeführt werden kann: große Grundbesitzer und Juden sind zu mächtig. Ich muß mich also damit trösten, daß ich den Grund des Uebels kenne. Adieu, mein verehrter Freund! Mein einziger Genuß in dieser Einsamkeit besteht darin, daß ich den langgenährtesten Wunsch befriedigen und mir endlich eine Bibliothek sammeln kann, so weit es die höchst beschränkten Kräfte zulassen. Ihr gleich ergebener A. Müller. |
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