Briefwechsel

145.

Leipzig, 18. Juni 1816.

Ueber das Patent kann ich Ihre Ansicht mit ganzer Seele theilen. Die Sensation ist auch so groß und allgemein, daß in diesem Augenblicke alle Handelsplätze des außerösterreichischen Deutschlands nur mit Wien beschäftigt sind und daß die meisten Kapitalien dorthin magnetisiren. Auch finde ich Ihre Ansicht des Papiergeldes dadurch nicht im mindesten angefochten, da Sie meines Wissens nie die bisherigen österreichischen Maßregeln in der Manipulation dieses großen Instrumentes vertheidigt haben, und wir beide von der Möglichkeit überzeugt sind, daß ein praktisch und theoretisch so glücklich und fast fehlerfrei organisirtes Institut gelegentlich auch ohne die Bedingung der Realisation seiner Noten bestehen könnte.

Was aber soll die Hypothekenbank in Verbindung mit der Zettelbank? Diese Conception ist neu, und ich fürchte eben so verderblich als neu. Es gibt kein bequemeres Geschäft als das Ausborgen auf Grundstücke: die vielen Subhastationen, Bankerotte und Lotterien in Oesterreich lassen errathen, wie groß die Competenz zu diesem Theile des Bankfonds seyn würde. Hoffentlich ist dieser Zweig der Bankfunktionen nur zur Beschwichtigung der Grundbesitzer erwähnt. Indeß war es so leicht, eine solche Hypothekenbank, da sie unstreitiges Bedürfniß der Monarchie ist, abgesondert, wo möglich auch an einem andern Orte (ich bleibe dabei, in Preßburg) zu etabliren. Dagegen würden Pretiosen und edle Metalle, auch Wolle, Baumwolle u.s.f. als Faustpfänder, unbeschadet des Credits der Zettelbank, angenommen werden können.

Außerdem aber kann ich Ihnen meine Freude bei dem Empfang des Patentes nicht beschreiben. Ich erhielt es sehr spät, am 10., nachdem es zur Ehre der österreichischen Behörden die hiesigen Handelshäuser schon am 7. erhalten hatten. Eine Staffette ist für unsere Staatsadministration noch immer ein großes Objekt. Da Leipzig mit vielen Millionen interessirt ist, und das Patent zuerst in die Hände eines dummen Juden kam, <219:> der es nicht verstand, so gingen für sehr große Objekte Aufträge nach Wien zum schleunigen Verkauf der W.W., die zu den Schwankungen des Curses zwischen dem hiesigen Platz und Wien durch unnützen Allarm redlich redlich beigetragen haben, während, wäre das Patent unmittelbar in die Hände verständiger und großer Kaufleute durch die Behörde gebracht, ein ganz anderer Ton angestimmt worden seyn würde. Im Auslande ist mehr merkantilische Einsicht und daher mehr Vertrauen auf Oesterreich, als in Oesterreich. Augsburg, Frankfurt und Leipzig haben es in den letzten beiden Monaten bewiesen. Dieses Vertrauen reagirt auf Wien; auch ist es wesentlich, daß das Ausland so viel als möglich die W.W. festhalte. Wenn man es gescheidt anfängt, so muß noch eine beträchtliche Quantität von Einlösungsscheinen außer Landes gehen.

Uebrigens wenn das Jahr 1813 das Jahr von Leipzig, 1814 das Jahr des Congresses, 1815 das Jahr von Waterloo heißt, so muß 1816 das Jahr der Nationalbank von Oesterreich genannt werden. Es ist der größte Schritt zur innern Consolidation der Continentalinteressen: wird die Bank ausgeführt und verwaltet in dem Sinn, als sie entworfen ist, so fällt hinfort der Schwerpunkt der ganzen Oekonomie des festen Landes nach Wien. Gott gebe uns nun einen tüchtigen Commerzialreferenten beim Ministerio oder der Kammer, damit wir nicht durch beschränkte Ansichten vom Commerz, durch Chimären des Triestiner Seehandels u.s.f. das große Werk wieder zerstören. Graf Stadions übrige Wahlen sind so vortrefflich, daß sich das beste erwarten läßt. Kübek und Pillersdorf waren die vorzüglichsten Instrumente, deren er sich bedienen konnte.

Alle folgenden Patente, die aus dieser Schule kommen, unterschreibe ich unbedingt, außer in wiefern sie das Grundeigenthum afficiren. Ueber diesen Punkt bin ich unerbittlich und traue keinem Menschen.

Uebrigens befremdet es mich, daß Sie auf mein Urtheil über die Patente vom 1. Juni neugierig seyn konnten, da Sie in dieser Hinsicht unsere Uebereinstimmung kennen. Ich müßte Ihnen selbst, dem unendlich vielen, was ich Ihnen verdanke, untreu geworden seyn, wenn ich nicht schon bei Empfang Ihres Briefes, drei Tage vor der Lectüre der Patente, an dieselben kräftiglich geglaubt hätte. – Im zweiten Hefte der Staatsanzeigen habe ich dreist meine großentheils auf der Ihrigen gegründete Ueberzeugung ausgesprochen. <220:>

An Kenntniß der europäischen Handelsgeschäfte schreite ich mit Vergnügen fort; es ist ja wohl gut, daß sich einmal irgend Jemand dieses unbekannten Gebietes des menschlichen Wissens annehme. Ich hoffe Ihnen dereinst noch statt Kruse und Nemnich zum Nachschlagen zu dienen. Wenn so etwas bei der Hofkammer beachtet würde, könnte ich luminöse Berichte einschicken. Uebrigens lebe ich in tiefster Einsamkeit auf einem Dorfe bei Leipzig, und wäre gern diesen Sommer nach Wien gekommen, um Ihnen mein neues Füllhorn von Commerzialkenntnissen auszuschütten, wofür Sie dann wie immer einigen theologischen Kram hätten in den Kauf nehmen müssen.

Diese Gebiete, der weltliche Credit und der Glaube, berühren sich gottlob überall so, daß ich nicht begreifen kann, wie der weltliche Glaubenszwang in Geld- und W.W.-Angelegenheiten aufhören, und das österreichische Kirchenrecht neben dem reinen Golde und Glauben der eigentlichen Kirche weiter bestehen kann. Dieses Paradoxon nur, um Sie, mein verehrter Freund, zu necken. Gott erhalte Sie! In drei Jahren, wenn mir Gott Leben und Gesundheit gibt, komme ich nach Wien, und dann werden Sie mich ganz nach Ihrem Sinne finden.

Adam Müller.