Briefwechsel

144.

Wien, 1. Juni 1816.

Ich habe Ihr Schreiben vom 13. Mai gestern (durch die fahrende Post?) erhalten, und obgleich meine Zeit sehr beschränkt ist, zeige ich Ihnen doch auf der Stelle den Empfang desselben an, damit Sie wissen mögen, daß ich gegen dieses Glück, welches mir so lange nicht widerfuhr, nie gleichgültig werde.

Ihren Auftrag werde ich bestens besorgen, Ihr erstes Heft unverzüglich lesen, und alles, was nur irgend in Ihrem Brief auf Antwort deutet, bald möglichst beantworten. An mir soll es wenigstens nie liegen, wenn unsere Correspondenz keine Wurzel fassen kann.

Seit vier Wochen habe ich allerlei Volontärdienste beim Finanzministerium geleistet; aus persönlicher Ergebenheit für Graf Stadion zunächst, dann aber auch, weil mich die neuen Maßregeln unsäglich interessirten. In drei oder vier Tagen werden Sie nun sehen, was man zur Welt geboren hat. Meine Theorie des Papiergeldes ist unverändert geblieben, und wird nie mehr im Wesentlichen verändert. Das Zeitalter ist noch nicht reif für ein solches Kunstwerk, und die Sache ist fast in allen Ländern zu schlecht angefangen worden, als daß sie hätte gedeihen können. In Oesterreich aber war die gänzliche und definitive Vertilgung des Papiergeldes die Bedingung sine qua non einer gründlichen Reform im Geldwesen. Dieß habe ich in dem letzten halben Jahre vollkommen erkannt, und war also mit dem ersten Princip des neuen Systems längst einig. Zu der Vertilgung des Papiergeldes durch eine Bank zu gelangen, war ein großer und bei uns kühner Schritt. Diese Bank so zu constituiren, wie man gethan hat, war eine fast wundervolle Unternehmung. Die Bestimmung ihres Geschäftskreises – die Art, wie sie auf die Circulation überhaupt und auf die Einlösung des Papiers insbesondere wirken wird – die bei diesem letzten Geschäft angenommenen Verhältnisse – die ganze Stellung der Bank gegen den Staat und das Publicum – das alles wird Sie um so mehr überraschen, weil Sie wahrscheinlich gar keine Ahnung davon hatten. Ich glaube, diese Maßregeln werden im Auslande einen großen und guten Effekt machen, und ich brenne wirklich vor Begierde, Ihr Urtheil darüber zu hören. Schreiben Sie mir also gleich nach Empfang der Patente, die nächsten Dienstag (4. d.) <218:> erscheinen werden. In jedem Fall ist dieß neue System eine der wichtigsten Begebenheit der Zeit.

Gentz.