Briefwechsel 140. A. Müller an Pilat. Paris, den 29. August 1815. Mein verehrter Freund! Der Kaiser hat die vom Fürsten für mich vorgeschlagene Anstellung in allen Punkten vollzogen. Es ist dieses die erste Angelegenheit, welche <209:> meinen Wünschen gemäß vollständig gelungen ist; die Belohnung langer Leiden, welche ich am liebsten aus den Händen des Fürsten empfange. Die Stelle eines Generalconsuls in Sachsen ist durchaus neu, indeß bei den durch die Schöpfung des Königreichs der Niederlande, durch die preußische Herrschaft am Rheine, insbesondere aber durch die Theilung von Sachsen gänzlich veränderten Commercialverhältnissen des nördlichen Deutschlands, kann sie für Oesterreich, welches durch Böhmen so nahe mit dem Schicksal von Sachsen zusammenhängt, im höchsten Grade bedeutend werden. Wie tief ich das Glück fühle, dem Kaiser zu dienen, und frei, auch unbeneidet, an einem Orte zu wirken, wo ich in tausend Rücksichten die wenigen Fähigkeiten, die ich für den Dienst besitze, beweisen, auf eine dankbare und lohnende Weise beweisen kann, würde ich Ihnen schwerlich ausdrücken können. Ich stehe unter dem Grafen Stadion und dem Fürsten Metternich. Außerdem kennen Sie meine Lage, mein verehrter Freund, und wissen, wie mich diese Anstellung in allen Familienrücksichten erfreuen muß, wissen, wie unter allen wünschenswürdigen Dingen mich nur das befriedigen kann, was mit den Wünschen meiner Frau übereinstimmt, die nur zu lange alle ihre Neigungen meinem Schicksal unterworfen, und in Gehorsam, Demuth und Treue fast mir selbst verschwiegen und verborgen hat. Sie, mein Freund, merken sich den Wink: der Kaiser hatte im Jahr 1809, auf einen Antrag des Grafen Stadion, den Grundsatz genehmigt, daß Generalconsuln aufgestellt werden sollen. Dieser Grundsatz hatte bis jetzt geschlafen und ist nun zum erstenmale vollzogen worden; er ist also nun zu einem wirklichen Vorgang (précédent) geworden. Brüssel, Hamburg &c. wären weitere wesentliche Punkte. Je me tais. Seit gestern Mittag, wo die Entscheidung herauskam, fühle ich mich gesund werden; denn am Sonntag, wo der letzte Courier abging, hatte ich einen Magenkrampf, daß ich im Ernst daran dachte, daß eine große Krankheit unterwegs wäre. Ich versöhne mich mit Paris und habe gestern Abends im Theâtre français nicht nur bis halb zwölf ausgehalten, sondern mich an dem Spiele der Mars in so hohem Grade ergötzt, daß ich zum erstenmale die Art von Mitleiden über die Abwesenheit meiner Frau im Theater empfunden habe, die ihr gewöhnlich ist, wenn sie sich von einem Schauspiele lebhaft gerührt und ergriffen findet. Meine Abreise ist nun sehr nahe, obwohl noch nicht bestimmt. Gentz <210:> übernimmt vorläufig meine Verpflichtungen gegen Sie. Ich habe indeß noch zwei Couriertage wenigstens vor mir, um Ihnen auseinander zu setzen, warum ich dieses Arrangement doch sicherer finde, als alles andere, welches sich mit dem Personal der Staatskanzlei vornehmen ließe. Uebrigens bin ich nun wirklicher Regierungsrath. Ganz der Ihrige Adam Müller. <211:> |
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