Briefwechsel 138. An denselben. Paris, den 13., Abends 6 Uhr. Der Kabinetscourier wird Ihnen die gestrigen Zeitungen schon gebracht haben, ob er gleich wenig vor dem Rittmeister Gordon voraus hat. Heute ist wieder die Quotidienne ausgeblieben; wahrscheinlich durch die <207:> Schuld der Leute des Fürsten, die nun, da die Zeitungen für Sie in seinem Hause abgegeben werden, sie lesen, bevor sie sie in die Kanzlei bringen. Uebersehen Sie die Geschichte der polnischen Ambassade von Abbé de Pradt nicht. Ich werde Ihnen das merkwürdige Buch mit dem nächsten Courier senden. In den Mußestunden und zur Zerstreuung meines Grams übersetze ich Says Katechismus. Nächsten Sonnabend bin ich damit fertig; vielleicht enden dann meine Leiden, das heißt der Aufenthalt in Paris. Im öffentlichen Leben sehe ich nichts als niederschlagendes; was soll ich von diesem Schachern um ein Gleichgewicht der militärischen Macht denken, in einem Augenblicke, wo es nur revolutionäre Armeen mit Geist und Talent, und regelmäßige Armeen ohne Beides geben kann? Wie soll sich das contrebalanciren? Unsere Rolle ist groß und gut; sogar die Franzosen loben uns mit mitleidigem Beifall. Deßhalb werden wir nicht untergehen; aber für die Hauptsache, die Vereinigung Deutschlands, d.h. Oesterreichs und Preußens, geschieht kein Schritt. Größere und größere Divergenz. Die einen dritten Krieg mit Frankreich voraussehen, haben wohl auch nicht ganz unrecht. Die ganze Rotte, hinter Ludwig XVIII., unserm Alliirten, versteckt, wirft uns unsere milden Versprechungen vor, ganz mit der Effronterie des Bewußtseyns, uns eine Nase zu drehen. Wer kann noch sagen, die Revolution sey überwunden, da sie an allen Enden ihr Haupt erhebt, und, so lange ihr Foyer, nämlich England steht, nicht fallen kann? Ermahnt mich nur nicht so großmüthig und christlich über England! Ich kenne England, und weiß, daß mir das Christenthum nicht verbietet, die Quelle des Uebels da zu suchen, wo sie wirklich ist. Das ist die für den rechtlichen Mann eigentlich verführerische Verkleidung jener Zeitgötzen, die wir um Gottes willen hassen sollen. Suchen wir Gott, mein Freund, auf allen Wegen, und versäumen wir nicht diejenigen, die uns die Nächsten und Liebsten sind, überall zu diesem Geschäft anzuhalten. Das ist die Summe der Politik. Adieu! Meiner Frau übergeben Sie gütigst den anliegenden Brief allein; er enthält einige vorläufige Aufschlüsse über die Wendung, die unser Schicksal nimmt. Sie wird Ihnen das Resultat mittheilen. Ich bitte Sie, es vor aller Welt zu bewahren, weil man mir noch sehr schaden könnte. Entschieden ist noch nichts. Ihr innigst ergebener A. Müller. <208:> |
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