Briefwechsel 121. Wien, 13. Oktober 1814. Ich bin seit einigen Wochen in einem Zustande, dem nichts von Allem, was ich in der Welt erlebt habe, zu vergleichen ist. Man hat mich gleich in einer der ersten Ministerialconferenzen par acclamation générale zum Sekretair des Congresses ernannt. Was dies heute sagen will, sind Sie, wie nur wenige, im Stande zu begreifen. Wann, wie, ob überhaupt je der Congreß als solcher existiren wird, weiß ich nicht; daß er jetzt noch nicht existirt, und keine der Vorfragen, von welchen die Eröffnung desselben abhängt, entschieden ist, werden Sie aus der Declaration vom 8. hinlänglich ersehen haben. Mein Sekretariat würde also, wenn es nur dieß wäre, gar wenig zu sagen haben, und mir keine große Arbeit machen. Ich bin aber, in der That, eine Art von Mittelperson zwischen fünf oder sechs Ministern vom ersten Range, die in einem der entscheidendsten Augenblicke der Weltgeschichte über Angelegenheiten von ungeheurem Gewicht sich vereinigen sollen! Mehr sage ich Ihnen nicht, meine beschränkte Zeit, Pflicht, Klugheit, Bescheidenheit &c. verbieten mir, tiefer in der Sache zu gehen. Ponderiren Sie aber in einer ruhigen Stunde, was es für mich seyn muß, ein solches Geschäft zu führen, was sich in mir, so oft es gut geht, für erhebende, so oft es schief steht, für drückende und marternde Gefühle erzeugen müssen. Gerade, indem ich Ihnen dieß schreibe, ist die Krisis auf ihrer eigentlichen Höhe!! Mir ist jetzt ungefähr zu Muthe, wie in den drei oder vier Tagen vor der Schlacht bei Leipzig. Deutlicher kann ich Ihnen meinen Zustand nicht beschreiben. Dieß meldete ich Ihnen vorzüglich deßhalb, damit Sie wissen möchten, warum ich in meiner Correspondenz mit Ihnen nicht fortschreite; dann aber, mein theurer und einziger Freund, um Sie zu beschwören, mir manchmal durch Ihre Briefe die wahre Lebenskraft einzuhauchen. Sie mögen auch zu thun haben, was Sie wollen, ein nützlicheres, fast möchte ich sagen, ein heiligeres Geschäft können Sie nie übernehmen. Tausend Dank unterdessen für Ihr liebes Schreiben vom 30. v. M. O Gott! wenn ich Sie jetzt hier haben könnte. Gentz. Wenn ich Zeit hätte, ein Tagebuch zu halten, so würde die Geschichte dieser Epoche merkwürdige Blätter liefern; die Hauptzüge aber drücken sich unverlöschbar in meine Seele, und sollen Ihnen dereinst sicher nicht entgehen. <179:> |
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