Briefwechsel

114.

Was Sie heute nicht über meinen, wohl aber über Ihren Styl und Ihren Wunsch, sich davon loszumachen, sagten, war um so giftiger und blutiger von Ihnen, als ich Sie, trotz meiner nicht sehr hellen Stimmung und meiner entschiedenen Ueberzeugung von der absoluten Idealität Ihrer Construktion des Meister, doch mit großer Ehrerbietung behandelt hatte. Sie wissen recht gut, daß ich kein Anderer werden kann, als der ich bin, und Ihre öftern Berufungen auf etwas Besseres in mir, welches ich muthwillig unterdrücken soll (als wenn es so etwas für Menschen von besserer Art, und solcher Klarheit über sich selbst, als ich besitze, geben könnte!), würde ich in der That noch niederschlagender finden, als ich sie jetzt schon fühle, wenn ich nicht gerade in dieser Ausflucht noch das einzige schonende Bestreben entdeckte, womit Sie Ihre tyrannische Intoleranz zuweilen bedecken. In Zeiten, wo es mir so schwer wird, zu stehen, von dem, den ich am meisten liebe, und der alles aufbieten sollte, um mich zu halten, so unaufhörlich niedergeworfen zu werden, ist doch mehr als grausam. Und wenn Sie die Hälfte der Leiden, die Sie mir, seitdem ich hier bin, zugefügt haben, kennten, dann würden Sie begreifen, welcher wahre Muth, und welche wahre unzerstörbare Liebe zu Ihnen es voraussetzt, daß ich mich dennoch ohne Unterlaß Ihnen nähere. – Ich thue es, und werde es thun, theils <170:> weil ich von Ihnen nicht lassen kann, theils aber auch, weil ich wenigstens die Gewißheit dadurch erwerbe, daß, was von meiner wirklichen Welt, so weit ich sie begreife, nach Ihren Angriffen stehen geblieben ist, nun kein Idealist mehr umwerfen kann. Sie sind ein Idealist, und machen, und dichten, und construiren eine Welt, die außer Ihnen schlechthin nicht zu finden ist. Aber ich würde sie nicht bloß bewundern, diese A. Müller’sche Welt, ich würde auch oft mit Entzücken darin herumwandeln, wenn nur irgend eine sanfte Stelle darin zu finden wäre, auf die ich – so wie ich bin, nicht so wie Sie mich construiren – mein ermüdetes Haupt legen könnte. Hiernach, liebster Freund, zu trachten, ist Ihnen eine Leichtes; denn, wenn Sie mit einer trockenen Creatur, wie Schleiermacher, Frieden stiften können, so dürfen Sie doch offenbar nur wollen, um mit einem so weichen Wesen, wie ich bin, nicht von einem Augenblick zum andern in eigentliche Schlachten zu verfallen.

Es kommt gewiß die Zeit, wo Sie es nicht mehr bereuen werden, daß Sie sich von mir zu Ihrem heutigen Styl verführen ließen.

Gentz.