Briefwechsel

1811. 1812.

109.

Wien, den 13. Mai 1811.

Ich rechne es unter die großen Fatalitäten meines Lebens, daß Ihr Brief vom 30. v. Mts. mir nicht eine reine und unbedingte Freude gewährt hat. Er setzt mich sogar in eine gewissen Verlegenheit, die Sie leicht begreifen werden. Meine Abreise von hier hängt an Umständen, über welche ich nicht Meister bin; hauptsächlich an pekuniären Verhältnissen, die ich nicht lenken kann, wie ich es wünschte. In dem Augenblick, wo diese Verhältnisse sich nach meinem Wunsche bestimmen, gehe ich nach Prag. Dieß kann in acht Tagen der Fall seyn; es kann sich aber auch bis ans Ende dieses Monats, und, wenn feindselige Sterne über mir walten, bis in den Monat Juni verzögern. Welchen Rath soll ich Ihnen nun geben? Hieher zu kommen, um mich vielleicht ein paar Tage darauf abreisen zu sehen, oder wohl gar mich unterwegens zu treffen? In Prag auf mich zu warten, und dort vielleicht mehrere höchst traurige Wochen (denn Prag ist im Sommer eine furchtbare Einöde) zu verbringen? – Das Klügste scheint mir immer, daß Sie, im Fall Ihnen dieser Brief noch in Teplitz zu Händen kommt, dort so lange verweilen, bis Sie nähere Nachrichten von mir haben, oder meine Ankunft in Prag zu erfahren. Denn hier würden Sie zwar, auch wenn ich abwesend wäre, Buol finden, der Ihnen mit Leib und Seele ergeben ist, und gewiß alles für Sie thun würde, was er könnte; ich besorge aber, er würde in manchen Dingen Ihren Wünschen und Bedürfnissen nicht so zu entsprechen im Stande seyn, als ich.

In puncto des Geldes scheint Ihnen zwar, wie ich aus Ihrem <167:> Briefe an Buol ersehe, Schönfeld die Sache vielleicht etwas zu vortheilhaft dargestellt zu haben; denn die Theuerung ist so groß, daß der Kurs die Fremden nicht mehr wesentlich begünstigen kann; dagegen werden und müssen sich, wenn Sie nur auf einige Zeit hier sind, andere Hülfsquellen finden, und ich bin im Ganzen wegen dieses Artikels nicht sehr besorgt.

Ich bitte den Himmel, mich durch äußere und innere Begünstigung gegen die Zeit meiner Zusammenkunft mit Ihnen so zu stimmen, daß ich von Ihrer Gesellschaft den ganzen Vortheil und den ganzen Genuß ziehe, den ich mir davon verspreche. Es ist mir lieb, daß Sie nicht vier Wochen früher zu dieser Reise schritten; noch lieber wäre es mir gewesen, wenn es vier Wochen später geschehen wäre. Es muß sich aber alles machen.

Gentz.