Briefwechsel 106. Berlin, den 5. Juni 1810. Den Ueberbringer dieses Schreibens, Herrn Ludwig Achim von Arnim, brauche ich Ihnen so wenig zu empfehlen, als seine Arbeiten, von denen eine der neuesten und vortrefflichsten, die Geschichte der Gräfin Dolores, so eben erschienen ist, die Sie lesen müssen. Er wünscht Ihre Bekanntschaft und ich bin überzeugt, daß er Ihnen gefallen wird, da er über alles Lob erhaben ist. Nun aber, mein würdigster Freund, was macht Ihre Gesundheit? Ich könnte Ihnen wohl einige Vorwürfe machen, daß Sie mich so lange ohne Nachricht lassen. Nicht ohne Schmerz lasse ich diese Zeilen an Sie abgehen, anstatt meiner. Ich habe Ihnen so unendlich viel zu sagen und Sie fänden mich ein gut Theil praktischer, also Ihrer würdiger, bequemer, Ihnen näher. Auch erwarte ich Sie gerechter und hingebender gegen mein Denken und Treiben. Ich hätte überhaupt immer gern Ihr kochendes, gährendes Leben gedämpft und besänftigt durch einige ungefährliche körperliche Leiden. Man hat Sie dann sicherer und auch frommer. Auch brauchen Sie mich. Großen, den äußeren Weltgeschäften mit Passion ergebenen Seelen muß mitunter von andern, von vertrauten gutmüthigen Beichtigern gesagt werden, wer sie sind, und wo sie sind; nicht der heiligen Führung halber, denn es leitet, die ich meine, ein unwandelbarer Gott, aber damit sie nach dem Gedränge verächtlicher und vergänglicher Welturtheile zu einer ruhigen Beschauung nicht ihrer Tugend, aber ihrer Eigenheit gebracht werden. Ihnen war von jeher nur zu schmeicheln dadurch, daß man diese Eigenheit schilderte, und Ihnen zeigte, daß man die Bewegung und Art Ihres Lebens kennt. Auch ist dieß die einzige wahrhaftige Schmeichelei, jede andere ist immer Lüge, schon weil sie ausspricht, was unentweiht in dem Bewußtseyn jedes großen Menschen und eingewickelt in seinem Kraftgefühl fortleben sollte. Was meinen Sie von der Aufnahme meiner Elemente in Deutschland? Wie soll es anders seyn? Ich sage nicht: und tritt ihn unterm Hufschlag seiner Pferde, das ist das Loos des Schönen auf der Erde! sondern ich danke Gott, daß er mich durch die anbellende Gemeinheit immer stolzer befestigen läßt in dem Weltgedanken der Freiheit, den ich mit dem Gesetz Gottes versöhnt. <160:> Indeß habe ich Stoff zu neuen Werken über den Staat; zuerst muß ich aber noch ein eigenes Werk über die Nationalökonomie schreiben: ein Buch in Ihrem Sinne. Erhalten Sie mir Ihre unschätzbare Liebe, der ich mich mit inniger Genugthuung täglich erfreue. Ihr ewig ergebener A. H. Müller. |
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