Briefwechsel

100.

Teplitz, 24. Juli 1808.

Wenn ich einigemale auf Beschleunigung des Adelsbuches lebhaft gedrungen habe, so ist dieß keineswegs aus irgend einem Mißtrauen gegen Sie geschehen; daß Sie diesmal Wort halten würden, wußte ich; es ist bloß geschehen, weil ich die Hoffnung nährte, und noch nähre, dieses Buch zu einem Mittel und Werkzeuge für Ihren jetzigen und künftigen Vortheil zu gebrauchen, und weil ich es folglich für meinen Wunsch nicht frühe genug vollendet sehen konnte.

Auf welchem Wege ich Ihnen eigentlich, mit diesem Buche gewaffnet, Gutes zu stiften versuchen werde, weiß ich heute selbst nicht mit Bestimmtheit anzugeben. Meine Schritte werden in solchen Dingen gewöhnlich durch die Inspiration des Augenblicks geleitet. – Wenn ich das Buch sehen und besitzen werde, wird sich auch darbieten, was ich zu thun habe. Subscription ist eine Manier, die ich äußerst hasse, und die mir unter Ihrer Würde zu seyn scheint. Ueberhaupt richte ich meine Gedanken mehr auf die Regierung als auf Particuliers.

Ich schließe aus einigen dunkeln Aeußerungen in Buol’schen Briefen, daß Sie nicht ganz mit mir zufrieden sind, sich nicht mit gehöriger Theilnahme, mit gehörigem Eifer von mir behandelt glauben. – Sie haben wahrscheinlich vergessen, mein theurer Freund, daß ich Ihnen bei unserer letzten Zusammenkunft (wie immer) jede Unterredung über Ihre Privatlage mit Gewalt habe abdringen müssen, daß die ewige Antwort war: „Sprechen wir nicht von diesen Odiosis!“ Und als ich Sie endlich einmal mit großer Mühe zu einigen halben, zweideutigen, räthselhaften Erklärungen gebracht hatte, so ergab sich, daß Sie mit Johannes über Plane, die ich im höchsten Grade verwerflich fand, unterhandelten. Was sollte ich hiebei thun? Leider stand es nicht in meiner Macht, Ihnen hier gleich eine Laufbahn zu eröffnen, die allen Zweifeln und <151:> Verlegenheiten ein Ziel setzen würde. Hatte ich also das Recht, jene Unterhandlungen zu zerschlagen? Mußte ich nicht den Ausgang derselben erwarten? Und haben Sie mir nach der Zeit, bis auf die zwei Zeilen Ihres letzten Briefes, die von Ihren Angelegenheiten handeln, auch nur die entfernteste Veranlassung gegeben, darüber zu sprechen? Nein! gegen Sie bin ich mir gewiß auch nicht der kleinsten Unterlassungssünde bewußt; und thue ich nicht in jedem Fall alles, was in meinen Kräften steht, so ist es zuverlässig Ihre Schuld, die Schuld Ihrer unnützen Skrupel, Ihrer übertriebenen Delikatesse, Ihrer seltsamen Abneigung, auch mit Ihren besten Freunden Dinge zu verhandeln, die Ihr unmittelbares Wohl und Wehe betreffen, Ihrer ungleichen, oft gar nicht zu berechnenden Gemüthsstimmungen. Mich werden Sie, in Ansehung Ihrer, ewig denselben finden; denn ich liebe keinen Menschen so, wie ich Sie liebe.

Ich verwünsche Ihre ganze Verbindung mit der Pallas. Was haben Sie mit dieser elenden Schrift zu schaffen? Ich gerathe sogar jetzt in große Verlegenheit. Die, denen ich das erste Stück so angepriesen hatte, erwarten nun gewiß mit Begierde das zweite. Kann ich die Stirn haben, es ihnen mitzutheilen? Der einzige kleine Aufsatz von Ihnen, den ich nicht einmal unter Ihre besseren Arbeiten rechne, verliert sich so in dem Ocean des übrigen Schundes, daß kaum davon die Rede seyn kann. Ich rathe Ihnen auf’s Neue, ernsthaft, dringend, mit allem Interesse der Freundschaft, ziehen Sie die Hand von dieser Unternehmung ab, die Ihnen ja ohnedieß wenig oder gar nichts einbringen kann!

Daß Sie mir durchaus keine Bücher mehr schicken, bleibt, trotz alles dessen, was Sie in Ihrem vorletzten Briefe darüber sagen, sehr hart. Allerdings haben Sie eine Zeitlang brüderlich für mich gesorgt; ist das aber die Rechtfertigung für ein plötzliches und gänzliches Abbrechen? Mehrere der von mir so sehnlich gewünschten Bücher, wie Brandes &c. liegen auf Ihrem Tisch, und Sie dürfen nur die Hand darnach ausstrecken. Daß Sie unruhig und unglücklich sind, glaube ich nur zu sehr. Wie glücklich wäre ich, wenn ich Sie auf einmal frei, frei machen könnte! So sollte es nicht seyn! Sie wären vielleicht für das Zeitalter zu mächtig geworden. – Adieu. Künftig das Weitere.

Gentz. <152:>