Briefwechsel 90. Dresden, 2. Mai 1808. Eine persönliche Zusammenkunft zwischen uns werden die Umstände wahrscheinlich unmöglich machen, auch würde ich sie nicht abwarten können, indem es mich drängt, meine Leidenschaftlichkeit, die freilich durch Ihre Verachtung des Phöbus veranlaßt worden war, wieder gut zu machen, und mein Herz wie meinen Geist von allem Verdacht des Wechsels und des Wandels, besonders aber von dem Verdacht irgend einer Coalition mit einer menschlichen Seele zu reinigen. Meine Sache (nennen Sie sie Sache des Gegensatzes) entbehrt um so leichter irgend eines Anhangs, als sie gerade durch die anbweichenden Ansichten mehr befestigt wird, als durch die übereinstimmenden. Sie, mein Freund, kennen und lieben meine Consequenz, deßhalb möchte ich persönlich auf Sie losgehen, da Sie klatschhaften Berichten über mich mehr trauen als der alten guten Meinung, die Sie von mir gefaßt und bestätigt gefunden. So bin ich aber doch genöthigt, Ihnen beikommend die sechs letzten Vorlesungen über das Schöne zuzusenden. Sie sind gut geschrieben und werden Ihnen einiges Vergnügen machen. Es existirt davon keine Abschrift, deßhalb muß ich um baldigste Zurücksendung bitten. Sie nöthigen mich zu dieser defensiven Maßregel, und ich wünsche, daß Sie künftig nicht weiter vor irgend einem aufgestellten Satz erschrecken, oder etwas anderes von mir erwarten, als was Sie längst kennen. Unter allen bleiben Ihre Ansichten mir, ungeachtet der Verschiedenheit, die gemüthlichsten, wie Ihr Herz das begreiflichste und liebenswürdigste dem meinigen. Leben Sie wohl, mein theurer Freund! A. H. Müller. |
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