Briefwechsel

81.

Prag, den 30. November 1807.

Ich habe vorgestern aus Wien die fatale Nachricht erhalten, daß der Kaiser von Rußland den Krieg gegen England erklärt hat. Von Seiten des österreichischen Hofes war bis zum 25. d. Mts. auch noch nicht die fernste Demonstration, die auf eine ähnliche Maßregel hindeutete, erfolgt; nichts desto weniger halte ich sie für unvermeidlich, seitdem der unerhörte Artikel des Moniteur diesen Hof so grausam compromittirt hat, und bin von Tage zu Tage darauf gefaßt. – Auf den König von Schweden wird es nun ebenfalls mit Macht losgehen, und da dieß der einzige Dienst ist, den Rußland seinen neuen Freunden leisten kann, so fürchte ich, es wird ihn mit Eifer vollziehen.

So haben wir denn nun wirklich, nach zehnjährigen fruchtlosen Versuchen, auch nur einen Theil der Kräfte von Europa zum Widerstande gegen die Tyrannei zu vereinigen, eine vollständige Coalition gegen das letzte Bollwerk der Freiheit erlebt. Was ich seit einigen Wochen fühle und leide, steht so wenig im Verhältniß mit dem, was sonst die öffentlichen Calamitäten auf mich wirkten, daß ich zu einer ganz neuen Sprache greifen müßte, um mich Ihnen verständlich zu machen.

Und in einem so trüben, so schweren Moment verlassen mich meine alten Freunde gänzlich. Kein Laut, keine Luft von Dresden weht mich <121:> mehr an. Alles ausgestorben! Schmeicheln Sie sich nicht, daß Sie mir diese Sünde je abbitten werden. Jede Entschuldigung ist nichtig. – Wenn Sie Ihrerseits Privatkummer haben, so war dieß nur ein Grund mehr, mir zu schreiben. – Wann hat je eigenes Interesse, oder eigene Sorge mich abgehalten, mich mit den Ihrigen lebhaft zu beschäftigen? – Der andern Herren erwähne ich nicht, diese haben weniger unmittelbare Verpflichtung gegen mich; sie mögen mich vergessen; Ihnen ist dieß nicht erlaubt. – Doch, was auch geschehe, meine Wünsche begleiten Sie unabläßig, und meine Freundschaft bleibt Ihnen, so lange ich selbst bleibe. Doch fange ich an, mich sehr darnach zu sehnen, daß letzteres nicht zu lange der Fall sey.

Gentz.