Briefwechsel

77.

Teplitz, den 15. Oktober 1807.

Unter den ungerechten und grausamen Beschuldigungen, womit Sie sich von Zeit zu Zeit schwer an mir versündiget haben, war kaum eine empörender als die, – daß ich Ihre Briefe mit Gleichgültigkeit behandelte. Wenn Sie von dem Vergnügen, welches mir die gestrigen, trotz des fatalen Hauptresultats, gemacht haben, Zeuge gewesen wären, würden Sie gewiß dergleichen verkehrtes Zeug nicht mehr sprechen.

Es ist wahr, Sie sind mit allen Ihren Gebrechen doch ein überaus vortrefflicher Mann. Wenn Sie auch nicht immer thun, und besonders nur selten ganz thun, was der andere wünscht, so reden Sie sich dafür so meisterhaft heraus, daß Ihre Rechtfertigungsgründe eine Art von Indemnität für das durch Ihre jeweilige Nachlässigkeit verlorene oder verspätete werden müssen. Ich sollte es nicht sagen, weil ich Sie nur immer mehr verderbe, aber meine Offenherzigkeit zwingt mir solche Geständnisse ab. Nach den Büchern über das Seerecht wüßte ich nichts, das mich mehr hätte beglücken können, als Ihre Deduktion der Ursachen des Ausbleibens derselben, und Ihre Entwicklung der Art und Weise, wie das Stillschweigen wirkt, könnte einen, nur etwas weniger nach Briefen von Ihnen Begierigen fast auf lange Zeit damit aussöhnen. – Diese großmüthige Erklärung möge sie zu gegenseitiger Großmuth entflammen!

Was mein von Ihnen gerügtes Stillschweigen über die Bibliothek in Wien betrifft, so gehört es offenbar zu Ihren sträflichen Sophistereien und künstlichen Schlangenwendungen, dieß mit Ihrem Stillschweigen über Gegenstände unmittelbarer Verhandlung zu parallelisiren. Sie wissen recht gut, daß ich jetzt in Ansehung der Bücher nichts thun kann, und daß alles Sprechen darüber einestheils unnütz, anderntheils überflüssig ist, weil die Sache unter uns schon aufs Reine gebracht war. Die Ausführung hängt bloß von meiner Rückkehr nach Wien ab.

Dagegen ist es wahrhaft schauerhaft, Sie bei den Seerechtsbüchern von der Möglichkeit einer mit x zu bezeichnenden Ablieferungszeit derselben reden zu hören. Ich brauche diese Bücher dringend, und es gehe nun auch, wie es wolle, Sie müssen Mittel finden, sie mir allerschleunigst zu verschaffen. Meine Dankbarkeit wird dadurch so hoch steigen, daß ich außer der Totalität meiner Bibliothek noch einige andere anzukaufen und Ihnen zu schenken bereit bin. Was meinen Sie dazu? – <114:> Doch, damit dieß realisirt werde, müssen Sie wenigstens einen ganzen Tag dazu verwenden, um in ganz Dresden alles, was dort irgend vom Seerecht existiren kann, aufzustöbern, und per fas et nefas mir zuzuwenden. Zu einem solchen geheiligten Zweck, als der, die Seeräuber zu vertheidigen, wird selbst ein anständiger Diebstahl nicht ganz außer seinem Orte seyn. – Beherzigen Sie es aber ernstlich; es ist hiemit kein Spaß.

Den Cometen habe ich nun gestern und vorgestern hinlänglich gesehen, obgleich der Mond sehr im Wege stand. Der Fürst Clary hat einen sehr guten fünffüßigen Dollond. Ihre Hypothese wegen seiner Genealogie halte ich für ganz unzulässig; was aber ein Comet eigentlich ist, weiß gewiß Niemand; ihn berechnen zu wollen, halte ich für klaren Unsinn. Ueberhaupt glaube ich mit Schubert, daß das Newton’sche System abgedankt werden muß; nur muß es freilich durch etwas anderes, als seine abgeschmackten Zahlengebäude ersetzt werden.

Gentz.