Briefwechsel

71.

Carlsbad, den 19. Juli 1807. Nachmittags um 3 Uhr.

Durch sonderbare Schickung finde ich mich gerade in dem Augenblick, wo die Entwicklung des großen Drama’s der Zeit die merkwürdigsten Begebenheiten herbeiführen muß, in einen völlig abgeschiedenen Winkel der Erde eingeschlossen, in ein enges, aber liebliches Thal, welches dergestalt von allen isolirt ist, daß man nicht einmal weiß, wie der Himmel jenseits seiner Mauern aussieht, und von den Gewittern nur Kunde erhält, wenn sie unmittelbar über unsern Häuptern sich entladen. Ich bedaure diese Fügung nicht; theils ekelt mir vor dem Schauspiel der Welt, theils gefallen mir meine nächsten Umgebungen, und der Dicke läßt sich, wie ich, von dem süßen Schlaraffenleben, das man hier führt, zum Vergessen und Verschlummern aller Stürme und aller Widerwärtigkeiten einwiegen.

Indessen glimmt doch die alte Neugier unter dieser Asche, und es gibt Momente, wo es uns erwünscht wäre, mit einiger Bestimmtheit zu wissen, was in der Welt, und was besonders in Dresden vorgeht. Seit Montag (13.) früh, wo ich aus Teplitz abfuhr, sah ich keinen Brief und kein Zeitungsblatt. Ich bat Eichler aufs Dringendste, mir eine Estafette zu schicken; ich vermuthe aber, daß er selbst nach Dresden gewandert seyn wird, und ich bin also ohne alle Hoffnung, wenn Sie sich nicht über mich erbarmen. Dieser Bote muß morgen gegen Abend bei Ihnen ankommen; melden Sie mir durch ihn alles, was Sie wissen, (sollten Sie auch früher schon nach Teplitz geschrieben haben), und schicken Sie ihn mir dergestalt zurück, daß er in der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch hier wieder ankomme. Ich werde es Ihnen nie vergessen. – Nach Teplitz gehe ich nicht eher zurück, als bis ich höre, daß die ganze Dresdner Scene ausgespielt ist. So lange will ich hier der Ruhe und dem Sinnengenuß fröhnen. Mit großer Begierde aber sehe ich der Rückkehr meines Boten und Ihrem Briefe entgegen. Gott sey mit Ihnen.

Gentz. <109:>

Stellen Sie nur Ihren Brief so, wie er an einen ganz Unwissenden lauten muß. Denn außer folgenden Faktis: 1) daß der Friede mit Rußland den 8., 2) der mit Preußen den 11. geschlossen worden ist, und 3) daß Bonaparte nach Dresden kommen sollte, und halb Deutschland sich dort zusammen drängt – weiß ich Nichts.

N.S. Ich habe meinen ersten Plan fahren lassen und schicke Ihnen diesen Brief duch N. Ich bin übrigens jetzt hinlänglich unterrichtet und will meinen Freunden, die mich bei dieser Gelegenheit so gut bedient haben, alle weitere Mühe ersparen. Schändlich genug bin ich vergessen worden. Sie sind ein träger Geselle. – Ich weiß jetzt aber alles, was ich brauche; sehen Sie nur diesen Brief (bis aufs Postscript) als nicht geschrieben an.