Briefwechsel

65.

Teplitz, den 21. Juni 1807.

Ich erhielt Ihren herrlichen Brief fast im Augenblick meiner Ankunft zu Teplitz, und er war mir eine glückliche Vorbedeutung mitten unter verschiedenen, sehr bedenklichen, die, wie Sie gleich hören werden, die Atmosphäre mir in den Weg legte. <101:>

Ich danke Ihnen vor allen Dingen für die Bereitwilligkeit, womit Sie meinem Wunsche, Sie in Teplitz zu sehen, entgegen kommen. Und da dieß jetzt das Hauptobjekt ist, alles andere aber in der Zeit, die dieses Unternehmen herbeiführen soll, besser behandelt werden kann, so will ich auch fürs erste nur von diesem sprechen.

Ganz allein bin ich freilich hier nicht; Sie wissen nun schon, daß ich an allen Orten, wo Menschen sind, auch gleich Bekannte finde, und mit jedem Tage mehrt sich die Zahl. Doch die eigentliche Epoche der Unruhe ist hier noch keineswegs angebrochen. Das Clary’sche Haus, der Prince de Ligne, und vieles, was dazu gehört, kommen erst zu Ende dieses Monats. Es sey aber auch, wie es wolle, darauf rechnen Sie sicher, daß ich Zeit, und viel, viel Zeit für Sie zu finden wissen werde. Des Abends bin ich ohnehin, so lange es nur keine Clarys und Bagrations gibt, völlig frei, und wenn ich Sie auch am Tage zuweilen allein lassen sollte, so wird Ihnen doch selbst in diesen Stunden, die Luft, das schöne Land und die Freiheit wohl thun. – Diese Bedenklichkeiten müssen also alle dahin schwinden.

Ernsthafter sind die, welche das Lokal und die Wettersicherheit betreffen. In meinen Stuben können Sie nicht wohnen; denn ich bewohne – es ist schrecklich zu sagen – die Eckzimmer des zweiten Stocks eines sehr hohen und ganz freistehenden Hauses (des neuen Gebäudes der Töpferschenke), wo selbst bei gutem Wetter der Wind unaufhörlich durch die Fenster pfeift. – Wie es mir hier gegangen ist, müssen Sie vernehmen, damit Sie die Sache gründlich beurtheilen können. Freitag Abend um 8 Uhr komme ich, nach einem sehr heißen Tage, an. Der Himmel nimmt eine drohende Gestalt an, doch um 10 Uhr verziehen sich die Wolken dem Schein nach, und um 11 Uhr gehe ich bei heiterem Himmel zu Bette. Um 1½ werde ich durch Sturm, Blitz und Donner erweckt; kaum habe ich die Zeit nach Menschen und Licht zu klingeln, als ein Hagel, wie Taubeneier, alle Fenster in Wohn- und Schlafstube zerschlägt, und mich so unter den entsetzlichsten Blitzen und immer fortdauerndem Donner allen Winden der Schöpfung Preis gibt. An Fensterladen nicht zu denken. – Das Gewitter hält zum Glück nur eine kleine halbe Stunde an. – Sonnabend war es wieder furchtbar heiß; um 4 Uhr wurde es auf einmal sehr kalt; ich glaubte, nun sey alles vorüber. Noch fern von den Häusern ertönt plötzlich ein furchtbarer Donner, ein zweiter, dritter; als wir durch’s <102:> Schloß rannten, schon Blitze von allen Farben um uns her. Als wir in der Töpferschenke eingetreten waren, zogen wenigstens vier Gewitter auf einmal gegen einander auf, und nun ging es auch bis halb 11 Uhr, erst zwei Stunden lang ohne allen Regen, so her, daß ich mir fest vornahm, am folgenden Tage nach Prag (wo es gar keine Gewitter, und Häuser fast ohne Fenster gibt) zurückzukehren. Die nähere Beschreibung dieser Bataille, wogegen die in der Nacht (den Hagel allein ausgenommen) nur Kinderspiel war, erspare ich Ihnen.

Nun kommt aber der Trost! Am folgenden Tage – wo ich, wie Sie wohl vermuthen werden, denn doch nicht nach Prag zurückkehrte – legte mir Eichler einen körperlichen Eid darauf ab, und citirte die ältesten Menschen als Zeugen, daß seit 100 Jahren kein Gewitter je im Zenith von Teplitz gewesen, und so lange die Stadt stehe, kein Beispiel von Einschlagen vorhanden sey. Wahr ist es auch, daß weder das Nachtgewitter vom Freitag, noch die wahrhaft entsetzlichen vom Sonnabend Abend über die Stadt gegangen sind. – Seitdem ist nun auch alles ruhig, die Luft kühl, der Himmel freundlich über uns, und ich denke, vor dem Monat Juli tritt gewiß keine ähnliche Wirthschaft ein.

Ich werde Ihnen eine Wohnung in einem kleinen, niedrigen, nach Nordosten gerichteten, und mir sehr nahen Hause aussuchen. Fensterladen kann ich nicht schaffen, weil dieß nicht in meiner Gewalt steht. Sonst aber will ich alles thun, was Sie nur irgend wünschen können, und sollte es unsicher werden, so mache ich mich jedesmal anheischig, die Nacht in Ihrer Stube zuzubringen.

Nach diesen Prämissen ist nun mein Vorschlag der: Ich muß meinen Leopold Sonnabend nach Dresden schicken, und Montag kehrt er hieher zurück. Wenn es Ihnen recht ist, die Reise mit ihm zu machen, so wird er sich bei Ihnen einfinden und das Weitere mit Ihnen verabreden. Wollen Sie aber lieber allein reisen, so werde ich gleich nachher eine andere Anstalt treffen. Ich glaube aber, es ist besser, Sie reisen mit ihm, weil man doch nicht alles wissen kann, was unterwegens einem Menschen bevorsteht! – Schreiben Sie mir gleich einige Zeilen Antwort hierüber, damit ich weiß, woran ich bin.

Diesen Brief erhalten Sie morgen Abend; ich muß also vor Sonnabend eine Antwort haben; um diese bitte ich angelegentlich.

G. <103:>