Briefwechsel

52.

Mein Bote aus Dresden ist gekommen, von meinem Müller aber – keine Zeile. Es ist dießmal besonders deßwegen unverzeihlich, weil ich Sie nach einem kleinen Rückfall vom Fieber verließ, und äußerst interessirt war, zu wissen, wie es weiter mit Ihrer Gesundheit steht. Einigermaßen können Sie es noch gut machen, wenn Sie morgen (Dienstag) noch schreiben und den Brief bis 8 Uhr Abends an Kraus gelangen lassen. Dann erhalte ich ihn übermorgen Abend. Erst Sonnabend, aber später gewiß nicht, reise ich nach Dresden zurück.

Der Aufenthalt in Teplitz hat mir einen sehr wesentlichen Dienst geleistet. Ich habe den gegenwärtigen Zustand der Dinge in Wien hier dergestalt anschaulich kennen gelernt, daß mein vorhin schon fester Entschluß, für jetzt nicht nach Wien zurück zu kehren, nun unerschütterlich ist. Ich ärgerte mich dort in vier Wochen zu Tode. Dresden, dir leb’ ich, Dresden, dir sterb’ ich! So lange Sie mir nicht davon laufen, ist Dresden, wie die Sachen jetzt stehen, in der That ein Himmel für mich. Und daß Sie mir untreu werden sollten, halte ich durchaus nicht für möglich. <84:> Wie wichtig Sie mir geworden sind, müssen Sie selbst in jeder Nerve fühlen. Ich schreibe keinen Brief, ich mache oder erneuere keine Bekanntschaft, ohne Sie bis in den Himmel zu erheben. Ich breite Ihren Namen, so weit nur meine Stimme reicht, über Deutschland und Europa aus. Und überdieß, was mehr ist als alle Lobpreisungen, ich liebe jetzt keinen Menschen, wie ich Sie liebe.

Sie können Sich nicht denken, wie ungeheuer fleißig ich hier bin. Das Wetter ist schlecht; die Gesellschaft interessirt mich wenig; nichts neues von Bedeutung. Ich lese und schreibe den ganzen Tag. Unter anderem habe ich die ganze Correspondenz von Körtes durchgelesen. Was Sie mir von den trefflichen Briefen Gleims sagten, habe ich vergeblich gesucht. Aber sehr schöne Briefe von Johannes, und wahrhaft genialische, ja ganz außerordentliche von Heinse. Wie dieser über die Kunst spricht, dagegen ist doch Winkelmann vor ihm, und alle Schlegel und Tieck &c nach ihm, nur Wasser- oder Luftblase.

Gott behüte Sie – bis auf baldiges Wiedersehen.

Teplitz, Montag Abend 1806.

Gentz.