Briefwechsel 46. Den 15. Januar 1806. Ich bin nicht in der Disposition, diesen Morgen zu Ihnen zu kommen; Sie haben, wie gewöhnlich, wieder ein Endurtheil über mich abgefaßt, und ich würde es nicht unternehmen, Sie darin zu stören. Also antworte ich bloß auf die Beschuldigungen Ihres Briefes. Betreffend meine Ihnen mitgetheilte Arbeit, so würde ich über ein dergleichen Fragment eine Kritik weder fordern noch geben. Daß ich, <78:> wie es Lessing und andern guten Leuten auch gegangen ist, bei der unmittelbaren Veranlassung nicht stehen bleibe, sondern mich dahin begebe, wohin ich durch höheren Beruf gezogen werden, sollten Sie nach langer Bekanntschaft eigentlich immer von mir erwarten. Daß Sie ferner Reinholdsche oder anderweitige Recensionen von irgend einer Seite noch ernsthaft nehmen, kann ich mir auch nur durch Ihre dermalige Stimmung gegen mich erklären. Von diesen Sachrecensionen zu Ihrem Urtheil über meine Persönlichkeit, und besonders die darin bemerkte Furcht und Angst. Sie entgehen mir, das heißt meiner Liebe und meinem Gegensatz keinesweges dadurch, daß Sie mich geringer zu schätzen versuchen. Glücklicher Weise ist mein Streit mit Wiesel um vieles heftiger, rauher und empfindlicher, besonders für ihn selbst, als die bitterste Diskussion zwischen mir und Ihnen, mein Freund, je war; glücklicherweise ist er selbst wo weit entfernt, sich im Verhältniß zu mir furchtbar zu finden, daß ich auch nicht den mindesten Grund habe, mich gegen Ihre vorgefaßte Meinung über meine Unterlegenheit zu rechtfertigen. Versuchen Sie es, Ihre neue Entdeckung mit den Eindrücken, die Ihnen mein Charakter bis hierher hat machen müssen, zu vereinigen! Ich besorge, daß es nicht gehen wird, so leicht Sie sich auch muthwillig und vorsätzlich zu verschließen und zu verstopfen wissen. Dieß letztere ist noch heute, wie in meinem neulichen Briefe, meine einzige wesentliche Beschwerde gegen Sie. Schwören Sie sich von mir los, so viel Sie wollen, Sie werden mich darum keinen Augenblick zweifelhaft machen an Ihrer Liebe, an dem Adel Ihres reinen und frommen Gemüths, an dem Umfang und der Kraft Ihres Geistes, und an der Erhabenheit Ihres eigensten und innersten Wesens über die Furcht, die Sie in mir zu entdecken augenblicklich für gut gefunden haben. A. H. Müller. |
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