Briefwechsel 40. Dresden, 13. Dezember 1805. Tief gerührt durch Ihre himmlische Treue, mein einziger, liebster Freund, durch jede neue Erinnerung von einer neuen Seite fester an Sie gebunden, möchte ich Ihnen sage, daß ich in keinem Augenblick bei Glück und bei Thränen Sie vergesse, und so drängt mich, zerreißt mich, erhebt mich Ihr hohes Schicksal und die Unglücksfluth der Zeit, daß ich Ihnen nichts sagen kann von Liebe und Treue. Solche Zeit wie diese muß Herzen wie die unsrigen zusammenschmieden. Auch ich bin nicht schwach! Fort mit den Träumen von untergehenden Welten! Sie haben Recht in Ihrer göttlichen Vorrede: es war schon schlimmer als jetzt. Mögen Sie ausbluten, diese Wunden, ehe dieses Blut gerinnend den Brand erzeugt, den wir fürchteten! Nein, bleiben wird sie, diese Welt, neu erbaut auf gereinigten Herzen, auf unerschütterlichen Geisterverbindungen. Der Dämon ruft in meiner Brust: auch du wirst sie bauen helfen; rüste dich und wache und vertraue auf die heilige Kirche, die ich dir gezeigt, und die lieben, goldnen gleichgesinnten Herzen, die ich dir aufgeschlossen! Weine dich aus über ihre frommen, armen Fürsten, über den alten heiligen Leib des zerfleischten Europa, über alle entweihten Heiligthümer! Immerhin weihe dich mit Thränen zu dem erhabenen Geschäft, an dem auch du Theil nehmen sollst! Was ist groß, was ist klein, wenn Stöße der Gewalt entscheiden, wo Kinder der Hölle und Gesalbte des Herrn einander gegenüber stehen? Auch ich bin nicht schwach; geraubt kann mir nichts werden, und welche Kraft der Hölle kann die Freunde arm machen, auf die ich baue? Ihnen, mein Vorbild, mein brüderlicher Freund, der Sie meinem Leben seine erste Kraft, seinen ersten Gedanken gegeben haben, verbinde und verpflichte ich mich aufs neue zu unverbrüchlicher Genossenschaft, vor allem des Hasses und der Liebe, dann zu unermüdlicher Thätigkeit, unaufhörlicher Mittheilung und Weiterverbreitung in Wort und <69:> That. Alles dies erkläre ich mit Reue über lange contemplative Unthätigkeit, über langen Schlaf, und ganz besonders unverantwortliches Schweigen gegen Sie, der mehr verdient, dem man unwürdig vergilt, wenn man ihn auch mit ewig steigender Innigkeit liebte. Adieu, ich erwarte Sie in Dresden, Sie müssen kommen, und sehe ich Sie nicht, so werde ich glauben und mich durch keinen Brief überzeugen lassen, daß Sie mich nicht mißverstanden haben, und daß Sie mich nicht für ohnmächtig halten, und daß es nicht noch eine andere Brust auf dieser Erde geben sollte, an der Sie eine Weile von den Stürmen dieser Tage sicherer ausruhen könnten, als an der meinigen. Die Sterne sind günstig, die Winde können nur aus freundlichen Gegenden wehen, wenn wir uns so nahe sind, als ich mich jetzt Ihnen fühle, Sie letzter Römer mit Ihrer victa causa. Auch ich bin nicht schwach! Ohne Widerrede, ich erwarte Sie. Mein Brief mit seinen drei Fragmenten vom 22. November, nach Troppau geschickt, ist also verloren? Es ist doch schade. A. H. Müller. |
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