Briefwechsel

33.

Sonntag, den 29. September.

Hietzing for ever!

Ich werde alle Tage klüger. Sollte etwa das schreckliche Wetter – jetzt eben war zur Abwechselung ein barbarisches Gewitter (4 Uhr Nachmittag) – daher kommen, daß das Aequinoctium und der Neumond fast auf eine Minute zusammenfielen??? – Welcher große Gedanke!

Verflucht krank bin ich noch immer. Aber ich weiche nicht von hier. So eben ist wieder ein englischer Courier mit Briefen bis zum 14. eingetroffen, woraus ich die, gewiß auch Ihnen sehr erfreuliche Nachricht erlerne, daß Anthony Kraus mit allen unsern Büchern &c. schon unterwegens ist. – Das freut mich nicht wenig.

Es freut mich sehr, daß Steffens gegen Gall geschrieben hat. Sie nicht auch?

Ich muß Ihnen doch einige meteorologische Fragen vorlegen:

1) Ist nicht die ganze Geschichte mit dem Barometer eine Fopperei?

2) Sahen Sie je, oder hörten Sie je von glaubwürdigen Zeugen, daß irgend ein Barometer der Welt über 29 stieg, oder bis auf 27 fiel? Kategorische Antwort!

3) Wenn während einem Wetter, wie das jetzige, der Barometer – man glaubt es kaum – verschiedentlich steigt, und in der Regel auf 6 steht, was soll man von der ganzen Wirthschaft denken? Es gibt keine Meteorologie!

Ihr kleiner Aufsatz ist sinnreich und originell, wie alles, was von Ihnen kommt. Aber denken Sie doch nur an die rasende Ungewißheit aller Dinge!

Dienstag Abends um 9 Uhr.

Das erste Viertel hat keine große Veränderung bewirkt. Gestern war zwar kein Regen; ich fuhr zum erstenmale seit zehn oder zwölf Tagen in die Luft und aß bei Fasbender in Meidlingen und ließ mich mit allen Neuigkeiten versorgen. Aber es war unfreundlich und kalt. Heute noch mehr, oder regnet es jetzt wieder, schwach; aber der abgeschmackte Barometer, den ich immer mehr verachte, fiel endlich auf 28,5, anstatt er 27,5 stehen sollte.

Der Kaiser hat eine kleine Reise gemacht, um die Armee zu sehen. <58:> Er ist bis Memmingen gewesen, und gestern früh zurückgekommen. Wir sind selbst in Anzahl, und selbst in Deutschland (in Italien ohne Vergleich) stärker als die Franzosen. Bonaparte (der immer noch ganz schweigt, ob Wuth, ob Angst, ob Scham, ob Verlegenheit, ob alles zugleich, wissen seine Teufel) hat sogar das Corps von Bernadotte über den Rhein gezogen, und es gibt jetzt so wenig mehr eine hannöverische als eine Küstenarmee!! Man sagt für gewiß, er bringt bis Ende Oktober kaum 150,000 Mann zusammen. Wir haben dann mit den Russen über 180,000. Unsere Armee ist im besten Zustande. Der Erzherzog Ferdinand von Mailand, ein 24jähriger, trefflicher Prinz, von großem Gemüth und herrlichem Talent, ist General en Chef in Deutschland, und Mack, der alles geschaffen, sein Generalquartiermeister. – Fürst Karl Schwarzenberg commandirt die Avantgarde, und mehrere vorzügliche Generale, wie Meerveld (gestern von Berlin zurück), Klenan, Fürst Moritz Lichtenstein, Fresnel &c. stehen bei der deutschen Armee. In Italien commandirt der Erzherzog Karl, der Erzherzog Johann (der selbst jetzt, in dieser Krise, noch in aller Geschwindigkeit den Orteler bei Glurns in Tyrol, nur 200 Toisen niedriger als der Montblanc, bestieg, und dem überhaupt nichts zu hoch ist) und Bellegarde, Auffenberg in Tyrol; die Neutralität der Schweiz ist vorderhand bewilligt, und da ich sehe, daß die besten Generale es für gut halten, so muß ich mich auch darein finden, ob ich gleich anderer Meinung war. Vorgestern ist auch Graf Haugwitz hier angekommen; die Zusammenkunft des Königs mit dem russischen Kaiser ist gewiß; eine große Begebenheit, die die ersprießlichsten Folgen haben kann. Nur auf solchem Wege – und ich predige es hier immer – ist der König von Preußen zu gewinnen; regierende Kaiser, Erzherzoge &c., diese allein, nicht Minister, und selbst die klügsten nicht, ja diese am wenigsten, weil er ihnen nicht traut, wirken bei ihm. Jetzt, oder nie; schlägt er ein, so ist Bonaparte geliefert. – Ueberlebte man denn wohl diese Freude?

Ich habe keine Zeit mehr heute.

Adieu!

Mittwoch, 2. Oktober.

G. <59:>