Briefwechsel

30.

Den 31. Juli 1805.

Ich erhielt erst vorgestern Ihren Brief vom 19. Juni, doch mit eben so großem Vergnügen, als hätten Sie ihn gestern geschrieben. In der Hauptsache entsprach er zwar meinen Wünschen nicht; denn Sie legen die Hoffnung unserer Wiedervereinigung auf unbestimmte Zeiten zurück. Aber als Ausdruck Ihrer vortrefflichen Gesinnungen kann ich diesen Brief nicht hoch genug preisen. Das Traurigste in unserem Verhältniß ist immer, daß nicht einmal eine regelmäßige Correspondenz zwischen uns zu Stande kommen kann. Sie allein könnten sie stiften, aber Sie wollen es nicht. Wenn Sie mir jede Woche zweimal, auch nur jedesmal eine Seite schrieben, so würde ich trotz aller meiner Beschäftigungen unaufhörlich den Reiz fühlen, Ihnen zu antworten, und am Ende immer Zeit dazu finden. Es würde viele ersprießliche Folgen haben. Warum geschieht es nicht? <50:>

Die Abschrift des Briefes von Johannes habe ich mit allerlei vermischten Empfindungen gelesen; aber die ungünstigen, ich gestehe es, hatten die Oberhand. Es ist etwas erkünsteltes in dem Ganzen. Woher dieser Enthusiasmus für Sie, den er noch niemals sah noch hörte, von dessen Aehnlichkeit mit ihm er gar nicht überzeugt seyn konnte, dessen Eigenthümlichkeit aus Schriften zu fassen, Johannes aus guten Gründen nicht vermag? Für einen großen Kopf mußte er Sie freilich aus den ihm gewordenen Datis schon erkennen, aber keineswegs für ein mit dem seinigen gleichgestimmtes Gemüth. Woher also diese seltsame Zärtlichkeit? – Von andern Dingen, besonders von den Stellen über Asien, Amerika &c. will ich nicht einmal sprechen.

In der Vorrede zum vierten Theil sind große, herrliche, erhebende und erquickende Gedanken. Und doch gefällt mir nicht alles. Ueber die Revolution wird im Ganzen mit zu großer Ergebung gesprochen, über die Gegenrevolution in einer gewissen zweideutigen Dunkelheit, und so, als wenn doch stillschweigend die heutige Unform der Schweiz, ihre Unterjochung, die Zerstörung aller ihrer Schutzwehren und die Wegnahme ihres halben Gebietes, als bleibender Zustand anerkannt werden sollte. Wer sind überhaupt die Eidgenossen, an welche diese Anrede gerichtet ist? Bonaparte’s Landammänner, Bonaparte’s Schultheißen und Räthe? Es wäre schicklicher gewesen, jetzt bloß zu den Manen der Eidgenossen, und höchstens zu einzelnen Schweizern zu reden. – Aber alle diese Kritiken bleiben unter uns; von uns zur übrigen Welt ist unsere einzige Pflicht, diesen Mann bis in den Himmel zu erheben. In allem, worauf es heute ankommt, ist er unsers Glaubens, und seine Kraft, sein Name und seine Autorität sind für unsere heilige Sache von nicht zu berechnendem Gewicht.

Jetzt ist endlich auch meine Vorrede fertig; wundern Sie sich nicht, daß ich dieß erst so spät sage. Denn erstlich war es eine der schwierigsten Arbeiten, die ich je unter Händen gehabt habe, und dann haben mich zwischen drein andere, nicht unwichtige Dinge beschäftiget. Sie wird vier bis fünf Druckbogen anfüllen. Ob und wie sie aber gedruckt werden wird, das ist eine Frage, auf die ich jetzt noch nichts zu antworten weiß. F. hat mir seit langer Zeit gar nicht geschrieben, obgleich alles, außer der Vorrede, seit sechs Wochen in seinen Händen seyn muß. Er war voll Zuversicht und Muth, ehe er das Manuscript gesehen hatte; ob er <51:> es aber durchsetzt, wie er meinte, weiß Gott. Auf jeden Fall sollen Sie die Vorrede im Manuscript lesen, und das in kurzem.

Ihre Aufträge wegen des Petschaftes werden besorgt. In Ansehung desjenigen, der die Bücherkiste betrifft, habe ich aber noch ein Bedenken. Die Sachen aus England können leider noch in sechs Wochen nicht ankommen. Um Ihretwillen mehr als um meinetwillen betrübt es mich. Wollen Sie nun, daß ich Ihnen die Liste, ohne die Ankunft derselben zu erwarten, spedire? In diesem Falle verordnen Sie nur; es soll gleich in Richtigkeit gebracht werden.

Schreiben Sie mir etwas Näheres von Ihrem Journal. Sie wissen doch wohl jetzt schon, daß die Nachricht, die ich Ihnen neulich von L. Grenvilles Eintritt ins Ministerium gab, falsch war. Es geschieht mir nicht oft, falsche Nachrichten zu verbreiten; diese aber war von dem kaiserlichen Gesandten im Haag in einer officiellen Depesche als sicher hieher berichtet, und wir glaubten sie volle acht Tage lang. Da es nunmehr entschieden ist, daß die Addington’sche Partei austrat, so bleibt es immer noch möglich, daß die Sache sich in kurzem realisirt. Da die Mission von Nowosilzoff nunmehr ein Ende genommen hat, so müssen überhaupt in wenig Wochen über das Schicksal von Europa entscheidende Klarheiten aufbrechen. – Gott behüte Sie! Wie mag es mit Ihrer Gesundheit stehen?

G.