Briefwechsel 22. Ich erhielt Ihren Brief aus Breslau, und war, wie Sie denken können, über das, was ich darin fand, nicht wenig bestürzt. Indessen kam es mir nicht ganz unerwartet, und am Ende war doch unter den Sie betroffenen Calamitäten nur Eine, über die ich Ihnen unmittelbare und rechtmäßige Vorwürfe machen konnte - nämlich den Mangel an Geld, den ich schlechthin unverzeihlich finde, weil Sie ihn vorhersehen konnten, vorher sehen mußten, und folglich verbunden waren, zum voraus Mittel dagegen zu ergreifen, wozu ich Ihnen gern die Hand geboten hätte. Indessen hatte ich meinen ersten Verdruß in einigen Tagen verwunden; und da ich mich auf andere Weise oft und lebhaft mit Ihnen beschäftigte, so war ich schon wieder in eine so heitere und Ihnen günstige <31:> Stimmung gerathen, daß ich Ihnen einen sehr guten Brief schreiben wollte, als gestern Abend eine andere fatale Nachricht alle diese guten Dispositionen umwarf. Ich erhielt nämlich durch einen Courier einen Brief aus Berlin vom 12., und sah zu meinem Erstaunen, daß auch an diesem Tage meine Pakete noch nicht dort gewesen waren! Daß Sie nun allen praktischen Credit auf immer bei mir verscherzt haben, versteht sich von selbst; und um Ihnen dies zu sagen, hätte ich Ihnen keine Zeile geschrieben. Die Sache wird aber jetzt so ernsthaft, daß ich auf alles gefaßt seyn muß; und da meine Briefe am 12. nicht angekommen waren, so ist es leicht möglich, und unter gewissen Voraussetzungen nicht einmal sehr unwahrscheinlich, daß sie nie Berlin erreichen werden. Verdient hätte ich es für meine unbegreifliche Fahrlässigkeit. Eine solche Commission jemanden anvertrauen, der, durch eine bloße Wand von mir getrennt, mich zwanzigmal warten ließ, ehe er sich einmal um die festgesetzte Stunde bei mir einfand! den eine böse Wolke krank machen kann! &c. &c. Ich sage es nicht, um Sie, sondern um mich anzuklagen. Wer hieß mich Eigenschaften in Ihnen suchen, die Sie zu besitzen gar nicht verbunden sind? Wundern Sie sich nicht, wenn ich diesen Brief hier abbreche. Seit gestern Abend bin ich bei gar zu übler Laune, um auf interessante und frohe Gegenstände überzugehen. Ueberdieß hat sich seit Ihrer Abreise, in andern und größern Verhältnissen, viel, sehr viel, und leider nichts Gutes zugetragen. Eine Begebenheit kann ich aber nicht mit Stillschweigen übergehen; es ist die, daß hier seit 24 Stunden, ohne irgend eine Pause, ein Regen von der Stärke eines Gewitterregens ganz senkrecht herunter fällt, dabei auch nicht die leiseste Spur eines Windes weht, und das Thermometer unausgesetzt auf 16 Grad R. steht. Es herrscht eine Finsterniß, daß man den ganzen Tag brennen möchte, und die Sache endigt gewiß mit irgend einer furchtbaren Katastrophe. Sobald ich mit Sicherheit erfahren habe, daß alle meine Pakete in Berlin abgegeben sind, will ich Ihnen einen interessanteren Brief schreiben. Um aber heute alles Unangenehme zu erschöpfen, so muß ich mir doch auch noch über einen andern Punkt eine kleine Erklärung ausbitten. Mein Sekretär behauptet, daß von allen den Katalogen, an welchen ich Sie doch mit meinen eigenen Augen habe arbeiten sehen, nicht ein <32:> Blatt hier geblieben wäre. Was hat dieß eigentlich zu bedeuten? Und was sind in Ansehung dieser Katalogen Ihre ferneren Projekte? Es ist fatal, daß über Lumpensachen wie diese unter uns correspondirt werden muß. Aber die kleinen Sorgen des Lebens sind nun einmal der Zeit nach immer das erste; sie sind das Gemüll, was erst ausgefegt werden muß, wenn man behaglich wohnen und so zum wahren Lebensgenuß schreiten soll. Warum fühlen Sie das nicht, wie ich? - Hüten Sie sich nur, liebster Freund, neues anzuhäufen; das unfehlbarste Mittel, es zu thun, ist, wenn Sie sich (wie ich grausam fürchte) in ein langes und hartnäckiges Stillschweigen verschließen. Ich liebe Sie übrigens, das kann ich Ihnen betheuern, mehr als jemals. Wien, 18. Mai 1805. G. |
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