Briefwechsel 21. Breslau, 6. Mai 1805. In dem traurigsten Zustande und mit der äußersten Anstrengung schreibe ich Ihnen diese wenigen Zeilen, mein liebster Gentz. Am Tage meiner Abreise von Wien, der sehr warm war, kam Abends sechs Uhr ein kalter, stürmischer Regen von Nordost. Ich war schon, ganz meinem Plan gemäß, in der Gegend von Nicolsburg, vom eiligen Reisen heftig erhitzt, und habe um acht Uhr durch Erkältung ein heftiges Fieber bekommen. Mein Geld war nur auf vier Tage berechnet; dies, Ihre wichtigen Commissionen, mein Verlangen nach Hause trieben mich fort - in der Kälte der Nacht, in einem stoßenden, übel verschlossenen Reisewagen, bewußtlos und beständig phantasirend, wie mein Bedienter sagt, der Ihnen bei seiner Zurückkunft noch eine andere Beschreibung von dieser Reise machen wird. Morgens vier Uhr erst in Brünn trotz allem Treiben und Trinkgeld. Den 2. Mai heftige Hitze, etwas weniger Fieber. Ich treibe es fort bis nach Ollmütz. An die Festungen hatte ich bei meinem Reiseplan gar nicht gedacht; durch Ollmütz kam ich zum Glück noch vor Thorschluß durch. 3. Mai Morgens vor Troppau fängt das Fieber, durch Fahren und Stoßen, abwechselnde Kälte und Hitze dieses unerträglichen Neumonds gereizt, heftiger wieder an. Ich ruhe in Troppau eine Stunde aus; ein starkes Erbrechen nimmt mir meine letzten Kräfte, und nun übermannt mich die Krankheit, daß ich nicht weiter kann, und die Nacht dort zubringen muß, wenn ich nicht ein Faulfieber riskiren will. Der Gedanke an meine Aufträge von Ihnen hätte mich rasend machen mögen; die einzige kleine Gefälligkeit, für Ihre unzähligen großen, versäumen zu müssen! Mein liebster Gentz! aber so wie mir war, und noch ist, möge es Ihnen Gott vergeben, wenn Sie mir nicht vergeben. 4. Mai Morgens fürchterliche Wege über das Gebirge. An der Grenze haben Sie mich, in meinen Betten verpackt und blaß wie ich bin, in Verdacht wegen des gelben Fiebers. Nachmittags zwei heftige Gewitter auf fürchterliche Hitze, mit Hagel und Regen, der alle Wege grundlos macht. Mein Fieber kömmt wieder. Der Gedanke, der einzige, der mir blieb, so bald ich über die Grenze bin, eine Staffette nach Berlin an Fröhlich zu schicken, kann nicht ausgeführt werden, weil Neisse, wieder eine Festung, im Wege liegt, das um neun Uhr geschlossen wird. Meine projektirte Staffette und ich, mit einer innerlichen Wuth, wie <30:> ich sie nicht leicht in mir gespürt habe, müssen liegen bleiben. Zu dem allen fehlte nur noch, was durch die vielen außerordentlichen Ausgaben erfolgen mußte, daß mir an der Grenze das Geld ausging. Mein Unglück war vollständig. Gestern den ganzen Tag auf dem Wege von Neustadt hierher ein einziges Fieber mit höllischem Durst; schlechtes Wasser allenthalben. Wie ein Rasender habe ich schlechtes Dünnbier immer quartweise in mich hineingegossen. Um ein Uhr Nachts kam ich hier an ohne Kräfte und im Gemüth und allen Gliedern zerschlagen. Ich schicke nach der Post, lasse der reitenden Berliner Post nachfragen; sie ist Nachmittags drei Uhr bereits abgegangen, geht vor dem Mittwoch nicht wieder. Das nächste ergreife ich nun und schicke noch rasch eine Staffette an einen meiner Freunde, der mein nächster Helfer ist, daß er umgehend mit Extrapost und hinreichendem Gelde herkommen und mich abholen soll. Den heutigen Tag, wo ich bis jetzt nur gelindes Fieber spüre, werden Ihre Sachen befördert. Da haben Sie die elende Erzählung der vier leidens-, ärger- und angstvollsten Tage meines Lebens. Können Sie für den unglücklichen Verzug einer so wichtigen Sache durch die Schmerzen und die Liebe der treuesten Seele, die Sie auf der Welt haben, versöhnt werden, so seyen Sie diesmal mild und nachsichtig gegen mich. Ich bin sehr betrübt, aber jetzt kann nicht nicht weiter. Ihr A. H. Müller. |
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