Briefwechsel

18.

Dresden, 31. Januar 1805.

Ich gehe, nachdem ich gestern Abends spät hier angekommen bin, Sonntags 3. Februar Morgens früh von hier ab und treffe Freitags 8. Februar in Wien ein, nachdem ich manche Schwierigkeiten überwunden habe, um Ihrem herrlichen Briefe zu entsprechen. Aus Südpreußen konnte ich wegen des außerordentlichen Schnees nicht anders als auf einem Schlitten herauskommen; diesen habe ich in Schlesien stehen lassen und meine Reise auf den gewöhnlichen Courierkaleschen fortsetzen müssen. Dabei ließ die Art meiner Reise und Oekonomie nicht die Begleitung irgend eines Domestiken zu. Ich freue mich aber, das Glück, Sie wieder zu sehen, mit einigen Opfern von Mißbehagen und Unbequemlichkeit erkaufen zu müssen. Dafür müssen Sie mich pflegen und ich rechne auf eine warme, wo möglich doppelfenstrige Stube, in der man vor allen Dingen den Wind nicht sehr hört, und dann - die nicht weit von Ihnen entfernt ist, weil ich Ihnen beinahe soviel mitbringe, als ich von Ihnen erwarte. Daß ich dem, was in der Welt von Spekulation vorkömmt, gewachsen bin, weiß ich doch nachgerade; aber welche bedeutende Richtung Sie meinen Arbeiten geben können, Sie mit ihrer praktischen Gewalt über die Welt und über mich insbesondere, hat mir über Erwarten und Wissen Ihr Brief gezeigt, der mich trägen, durch die Krankheit fast zur Pflanze gewordenen, mit meinem Zustande gerade mehr als je zufriedenen, übrigens wie immer melancholischen Menschen in die unangenehme Bewegung einer Winterreise gebracht hat. Wie dies zugegangen ist, weiß Gott allein. Aber gegen mich sind Sie auch immer so wahr, ja so tugendhaft, daß ich Ihren Ruf für den Ruf des Himmels selbst halten muß. Wenn ich mich also auf die Gunst des Himmels zur Zeit noch mehr verlasse als auf die Ihrige, so ist es, weil sich jene ohne Unterbrechung zeigt, Sie aber mich über halbe Jahre auf die Antwort eines Briefes warten lassen, der mir aus dem Herzen gekommen ist, wie keine Zeile, die ich je sonst geschrieben habe. Sie haben das freilich wieder gut gemacht, aber Ihr weiches Wesen sollte eigentlich nicht vergelten, sondern für jedes fromme wohlgemeinte Wort wie der Himmel mit Segen überschütten den, der es darbringt. Deßhalb, glaube ich, wähle ich es, nicht zu schreiben, sondern zu kommen; die persönliche Nähe thut viel bei Ihnen. <26:>

Wohl ist unser Umgang einzig, mein liebster Gentz! Sie können schmeicheln, wie keiner weiter, und ich schmeichle gern, so gut es gehen will; und doch sind wir uns gegenüber so wahr als wenige andere in dieser täuschungsvollen Welt. Ich glaube, wir halten etwas aufeinander, es kömmt uns aufeinander an! Mir glüht das Herz, wenn ich an die bevorstehenden Tage denke; ich kann doch sprechen jetzt, und wem ich die heilige Welt, die der Ernst und die Abgeschiedenheit der letzten Jahre in mir ausgebildet haben, am liebsten zeige, wissen Sie, da sie meine Liebe kennen. Wenn Sie sich nur gehörig einlassen! Ich habe noch keine Vorstellung von Ihrem Wiener Leben. Sagen Sie doch meinem lieben Sigismund, er soll, wenn Sie nicht mitkommen können, mir, wie er verspricht, allein in einem guten Wagen Freitags, wenigstens auf eine Station entgegen kommen. Denn in einer Postkalesche kann ich doch nicht in Wien einziehen; auch würde ich etwas bestürzt seyn, wenn ich allein wäre, und mir meine Leute erst aufsuchen müßte. In den Aeußerlichkeiten müßt Ihr mich überhaupt souteniren, denn ich habe seit zwei Jahren mit meinem wenigen Gelde nichts anders gethan, als es verschenkt. Den repräsentativen Charakter des Geldes habe ich fast ganz vergessen.

Der Baron Buol hat mir schon meinen Paß übergeben und der Tag meiner Ankunft ist unwiderruflich Freitag 8. Februar.

Ihr

A. H. Müller.