Briefwechsel 14. Wien, am 22. Mai 1803. Gestern habe ich von unserem Manne in Berlin einen Brief erhalten. Er ist gerade am 12. dort angekommen, und versichert, alles bestellt zu haben. In so fern bin ich also beruhigt und halte es für Pflicht, Ihnen dies gleich zu melden. Ich kann Ihnen nicht bergen, liebster Freund, daß ich mir seit einiger Zeit Vorwürfe mache, Sie nicht in Wien festgehalten zu haben; und wäre nicht meine Ueberzeugung von dem Unrecht, welches ich Ihren dortigen <12:> Freunden dadurch zugefügt haben würde, gar zu lebhaft, so verziehe ich es mir nicht. Es ist mir jetzt vollständig klar, daß Sie doch eigentlich der einzige Mensch sind, dessen Umgang mir schlechterdings nothwendig ist; und seitdem ich die Süßigkeit desselben wieder recht gekostet hatte, fühle ich mich einsamer, als ich Ihnen zu beschreiben vermag. Fast möchte ich mir Glück wünschen, daß Sie in den ersten Zeiten Ihres Hierseyns so störrisch und widerhaarig gegen mich waren; denn hätten Sie gleich so mir mir gelebt, wie in den letzten drei Wochen, so würde ich die Wunde, die Ihre Abreise mir geschlagen hat, jetzt wahrscheinlich noch lebhafter fühlen. Auch scheint es mir, wenn ich die Sache bloß raisonnirend betrachte, nicht bloß weise, sondern unumgänglich, daß wir beide nicht mehr lang getrennt bleiben. Ihnen ist offenbar Niemand so nützlich, und so eigentlich nothwendig, als ich; denn das Wenige, was Ihnen fehlt, finden Sie alles in mir concentrirt. Mir kann von allen jetzt lebenden Menschen (denn im Grunde ist es doch jetzt wohl so gut, als hätte ich sie alle geprüft) keiner so zusagen, als Sie. Denn die wenige Reinen, die ich außer Ihnen noch finde, sind für mich nicht genialisch genug, und die übrigen Genialischen sind alle unrein. Sie allein vereinigen alles in sich, und in Ihnen wohnt nun überdieß diese ewig erweckende Kraft, die bei meiner zunehmenden Steifigkeit, Erkaltung und Blasirtheit allein im Stande ist, mir eine immerwährende Jugend anzuwehen. Hiezu nun die unendliche Sicherheit Ihrer Anhänglichkeit und Ihrer Treue gegen mich, und das ganz unbedingte Vertrauen, welches ich zu Ihnen, und zu keinem Andern mehr fühle. Ich bin selbst innig überzeugt, daß wir, um etwas Gutes zu wirken, mit einander leben müssen. Sie allein sind, bei aller Ihrer eigenthümlichen Größe, den äußern Schwierigkeiten dieses harten Zeitalters nicht gewachsen; und ich muß schlechterdings etwas haben, was mich unaufhörlich über das Zeitalter erhebt, wenn ich nicht endlich sinken soll. Erwägen Sie die Sache ernsthaft. Es kömmt hier nicht auf einen augenblicklichen Entschluß, nicht auf Tage und Monate an, ob mir gleich auch diese sehr zählen; aber es gilt einen Plan für die Zukunft, wenigstens für einen beträchtlichen Theil unseres beiderseitigen Lebenslaufes. Sie wissen wohl, daß die äußeren Umstände bei der Ausführung desselben nicht sehr in Betracht kommen würden, und wie gern ich sie alle übernähme, ohne doch je Ihre Unabhängigkeit angreifen zu wollen. Aber ob Sie nicht dort unauflösliche Bande geknüpft haben - das ist die große und schwierige <13:> Frage. Versprechen Sie mir nur in jedem Falle, sich für den Herbst wieder auf einige Monate los zu machen. Ueberrumpeln will ich Sie nicht; aber zweckmäßiger und wirksamer würde doch über einen Plan dieser Art in mündlichen Unterhandlungen traktirt werden. Schreiben Sie mir recht bald Ihre vorläufige Meinung von der Sache und denken Sie dabei nur immer, daß sie mich im höchsten Grade interessirt. Die große Szene der Welt wird, wo ich nicht sehr irre, in kurzem eine Hauptveränderung erfahren. Es ist zuverlässig, daß der russische Kaiser durch Nowosilzoff Friedensanträge machen läßt, die aller Wahrscheinlichkeit nach mit England verabredet waren, und alle streitigen Punkte umfassen werden. Ich darf nur hinzusetzen, daß diese Anträge vermuthlich werden angenommen werden, weil sie, im Sinne der Franzosen, annehmbar sind - um Ihnen alles gesagt zu haben; denn was für ein Friede unter dieser Voraussetzung zu erwarten ist, wird Ihnen nicht schwer werden zu berechnen. - Unser Freund Brinkmann ist vorläufig zur Ruhe gesetzt. Der König von Schweden hat dem Könige von Preußen den schwarzen Adlerorden zurückgeschickt mit der Aeußerung, er könne nicht einen Orden tragen, den er mit Bonaparte zu theilen haben würde; hierauf hat der preußische Hof seine Gesandtschaft von Stockholm zurück berufen, und Br. ist angedeutet worden, daß man ihn forthin, wenn er in Berlin bleiben wollte, als Particulier betrachte. Diese ganze Sache ist doch für Beobachter unserer Art nicht wenig merkwürdig. Man erwartet hier von einem Tage zum andern die Nachricht von einem Seetreffen; denn trotz der wenigen Wahrscheinlichkeit, daß Nelson die französische Flotte noch einholen würde, sieht es dennoch so aus, als habe er sie eingeholt. Adieu. Ich bitte Sie inständigst, mir ohne den geringsten Verzug zu antworten. Ich schreibe Ihnen gleich wieder, und so oft als möglich. G. Sie werden Sich erinnern, daß bei unserem Bücheraufräumen meine Uebersetzung des Burke, in zwei dünnen Bänden, in unseren Händen war. Haben Sie eine Idee, wo diese hingekommen seyn kann? Ich suche sie seit gestern schrecklich. <14:> |
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